Dienstag, 19. März 2024
Interview mit Silke Schranz und Christian Wüstenberg
Australien in 100 Tagen
Silke und Christian in Westaustralien
© comfilm.de
Silke Schranz und Christian Wüstenberg sind Filmemacher und leben in Frankfurt. Für ihre Dokumentationen machen die beiden in der Regel von der Regie über Kamera, Schnitt, Ton, Musik und Text bis zum fertigen Film alles selbst. Ihre ersten zwei Dokumentationen, die sie auch im Kino zeigten, waren die Reisereportagen Neuseeland auf eigene Faust und Portugals Algarve auf eigene Faust. 2011 brachten sie die erfolgreiche Naturdoku Die Nordsee von oben ins Kino. Australien in 100 Tagen ist ihr viertes Filmprojekt. 2013 erscheint Die Ostsee von oben.
Eure Filme sind ja eine Art filmische Reiseführer. Wie seid ihr auf diese Idee gekommen?
Silke: Wir reisen gerne und wir machen leidenschaftlich gerne Filme. Deswegen gucken wir auch gerne Reisefilme, bevor es in ferne Länder geht. Meistens sind diese Reise-DVDs aber so schrecklich spießig und ohne jegliche brauchbaren Infos, dass wir gesagt haben, wir machen das selbst. Es muss doch endlich mal jemand einen Film machen, den man einfach so nachreisen kann. Wir wollen das Land zeigen, wie es ist, damit die Leute anschließend wissen, in welchen Ecken es schön ist und was man sich vielleicht auch sparen kann.
Eure Reisefilme füllen große Kinosäle, wie kommt das?
Christian: Unsere Reisefilme liefen in über 500 Kinos in ganz Deutschland, von Flensburg bis Oberammergau. Wir lieben das Kino. Die Leute lassen sich ganz anders auf den Film ein als zu Hause vor der Glotze. Im Kino gibt’s keine Werbeunterbrechung, es ruft mich keiner an, es klingelt nicht an der Tür und ich esse nicht nebenbei zu Abend. Und das ist auch gut so. Ein Landschaftsbild im Kino kann zum Naturereignis werden.
Toll ist, dass ihr oft persönlich bei den Filmvorführungen anwesend seid. Wie reagieren die Zuschauer darauf? Und, wer sind die Zuschauer?
Christian: Wir sind in über 300 Kino-Veranstaltungen vor Ort gewesen. Ich denke, die Leute schauen den Film anders, wenn sie uns vorher kennen lernen und wir über die filmische Arbeit in Australien erzählen. Fahr mal zu dem Winzer, dessen Wein dir gut schmeckt und lass dir darüber erzählen. Danach schmeckt der Wein noch besser.
Silke: Wir sind übrigens auch vor und nach der Veranstaltung im Foyer für persönliche Fragen da und gehen nicht, bevor alle Fragen beantwortet sind. Wir versuchen, die Veranstaltungen, weg von einer reinen Kinovorführung, zu einem runden Abend machen, der den Leuten in Erinnerung bleibt, bei dem sich Reisende treffen und sich nicht nur mit uns sondern auch untereinander austauschen. Wenn zum Beispiel 200 Menschen im Saal sitzen, um sich über Australien zu informieren, dann sind knapp die Hälfte schon mal in Australien gewesen, und die andere Hälfte will in Kürze hin. Nur eine Handvoll Leute sind einfach nur so da, weil sie sich für ferne Länder interessieren oder von der Tante mitgeschleppt worden sind. Zu uns kommen reiselustige, weltoffene und neugierige Menschen.
Was zeichnet euren Australienfilm aus, was ist so anders als bei anderen?
Silke: Oh da gibt’s viele Unterschiede. Es ist zum Beispiel die Sprache. Wir reden nicht anders, als würden wir Freunden zu Hause am Küchentisch von unserer Reise erzählen. Wir lassen uns viel Zeit beim Drehen und Schneiden. Viele Reisedokus berichten immer nur über bestimmte Ecken. Bei uns ist das umfassender. Und wir sind ehrlich. Wir machen keinen Werbefilm mit tausendfach gehörten Platitüden wie: „der Strand lädt zum Verweilen ein“„die Australier sind ein nettes Völkchen“ oder „Bananabootfahren ist ein großer Spaß für jung und alt.“
In einigen Worten… was bekommt man im neuen Australienfilm zu sehen?
Christian: 100 tolle Orte, die es sich lohnt, zu besuchen, tolle Bilder, tolle Erlebnisse, wahnsinnig viele Tiere, die uns vor die Linse gelaufen sind… Ich könnte jetzt von jedem einzelnen der 100 Tage ins Schwärmen geraten. Wir möchten, dass die Leute Australien „verstehen“, nachdem sie den Film gesehen haben.
Wie ist es zu dem Dreh gekommen, gab es Tipps, Anregungen, Unterstützung?
Silke: Für unseren ersten Film Neuseeland auf eigene Faust sind wir in drei Monaten um beide Inseln gefahren. Das kann man ohne fremde Hilfe ganz gut schaffen, beziehungsweise organisieren. Australien dagegen ist so riesig, dass wir alleine schwer hinbekommen hätten, die Route zu planen. Wir haben uns Rat bei Boomerang-Reisen in Trier geholt. Die haben uns Unmengen von wertvollen Tipps gegeben. Boomerang ist von der Idee begeistert, dass wir einen Film fürs Kino machen und nicht fürs Fernsehen. Deswegen konnten wir in jeder Hinsicht auf die Unterstützung zählen.
Wer hat die Route festgelegt?
Christian: Wir sind von Perth nach Darwin, dann ins rote Zentrum, von Cairns über Sydney und Melbourne nach Adelaide. Diese Eckpfeiler haben wir zusammen mit Boomerang-Reisen festgelegt. Wir mussten darauf achten, nicht in die Regenzeit zu geraten, oder zu großer Hitze aus dem Weg zu gehen. Alle Zwischenstationen haben wir selbst festgelegt. Dabei sind wir nicht nur an der Küste entlang, sondern haben viele Abstecher ins Outback, in die Berge oder den Regenwald gemacht. Wir waren übrigens die ganzen 100 Tage im Camper unterwegs. Deswegen konnten wir abends immer dort stehen bleiben, wo wir es schön fanden. Das war herrlich.
Was oder welcher Ort hat euch auf eurer Tour am meisten beeindruckt?
Christian: Schwimmen mit Schildkröten, genauer gesagt „Green Turtles“ im glasklaren Wasser vor einer Koralleninsel.
Silke: Die boxenden Kängurus!
Christian: Ja, genau, und wenn die mit einem Affenzahn über die Prärie hüpfen…
Silke: Die Vogelkonzerte am frühen Morgen, wenn ich noch an der Matratze gehorcht habe… vor allen Dingen auf einem wunderschönen Campingplatz mitten im Regenwald im Daintree National Park!
Christian: Und wenn Du uns morgen fragst, sind es wahrscheinlich andere Dinge. Das hängt von der Stimmung ab.
Sollte man eure Tour nachfahren, wenn man die Zeit dazu hätte?
Silke: Warum nicht? Kann man, muss man aber nicht. Eine Teilstrecke tut’s auch. Der Film soll ja auch dazu dienen, rauszufinden, was einem am besten gefällt. Und den Teil könnte man dann nachreisen. Gerne natürlich auch die ganze Reise. Es gab tatsächlich schon Leute, die unsere komplette Reise in Neuseeland nachgereist sind, und die haben uns gemailt, dass es eine schöne Zeit war. Gleich kann es nicht werden, jeder will was anderes auf Reisen.
Wenn man nur vier Wochen zur Verfügung hat, was soll man sich dann unbedingt ansehen?
Christian: Diese Frage kann ich so nicht beantworten. Bei vier Wochen kann es nur eine Region sein. Im Westaustralien würde ich auf keinen Fall das Ningaloo Reef auslassen, im Zentrum gibt es eine schöne Tageswanderung am Kings Canyon. Im Norden hat uns Cape Leveque gut gefallen, im Süden die sehr bekannte Great Ocean Road.
Neben fremdartigen Tieren und einer außergewöhnlichen Natur gibt es „down under“ ja auch die Australier selbst. Wie habt ihr die denn so erlebt? Wie sind die Aussies so?
Christian: Man kommt wahnsinnig schnell ins Gespräch mit Australiern. Man wird wirklich überall angesprochen, auch wenn man das als Morgenmuffel um 6 Uhr in der Dusche vielleicht noch gar nicht will. Wenn man ein Problem hat, sind die Aussies sofort um Lösungen und Hilfe bemüht. Statusdenken scheint ihnen fremd zu sein. Im Schuhladen wollte mir die Verkäuferin erzählen, dass man die Flipflops, die ich mir kaufen wollte, auch zu Geschäftsterminen anziehen kann, weil sie ein so schickes Design haben. Genervt hat uns die Regelungswut der Aussies. Überall stehen Schilder, was man tun darf und was nicht. Selbst an Ampeln steht: Wenn Sie ein rotes Männchen sehen bedeutet das: „Sie dürfen nicht die Strasse überqueren“. Wer hätte das gedacht? Ansonsten kann man diese Frage nicht verallgemeinern, es gibt überall auf der Welt Solche und Solche.
Was könnt ihr zu den Ureinwohnern Australiens sagen?
Christian: Wir sind wahnsinnig schwer in Kontakt gekommen. Im Osten sieht man keine Aboriginals. Im Westen haben wir zwei Aboriginals getroffen, die uns was über ihr Leben erzählt haben. Leider haben wir die ganze Geschichte als ziemlich trauriges Kapitel kennengelernt. Wir können nur von unseren Erfahrungen reden. Wir haben den Eindruck gehabt, dass ein Zusammenleben von Weißen und Aborigines noch ziemlich schwierig ist. Die Lebensweisen sind sehr sehr unterschiedlich. Dem Thema könnte man einen ganzen Film widmen. Wir werden das leider nur kurz anreißen. Alle, die erwarten, in unserem Film tanzen Aboriginals traditionelle Tänze in Baströckchen und spielen ein bisschen Didgeridoo… dazu müssen wir enttäuschen. Für eine solche oberflächliche Betrachtungsweise sind wir nicht zu haben.
Könnt ihr euch vorstellen, dort zu leben? Und wenn ja, wo?
Silke: Wir sind nicht so die Auswandertypen, denn unser Job ist ja, Reisefilme zu machen, und da wollen wir natürlich noch viele Länder bereisen. Einige Zeit dort zu leben, könnte uns beiden gefallen, und zwar in Tasmanien. Da hat man ganz Australien in Klein.
Wollt ihr wieder einmal dort Urlaub machen, einfach nur Urlaub? Oder könnt ihr das gar nicht?
Christian: Logo können wir Urlaub machen. Allerdings machen wir dann eher mehrere kürzere Urlaube, und dann geht es nicht so weit weg. Nordsee zum Beispiel, oder Portugal. Wenn nach Australien, dann ein bisschen länger, so ab 6 Wochen, entweder in Tasmanien oder nördlich von Cairns, in den Tropen.
Spielen Personen in eurem Film auch eine Rolle?
Christian: Ja klar, aber gegen die tolle Natur und die Tierwelt kann der Mensch nicht anstinken, deswegen gibt’s eine Reise- und Naturdoku. Die Geschichten mit den Australiern sind eher kurz. Zuschauer wollen in einem Reisefilm nicht 10 Minuten lang einen Bildhauer sehen, der ein Känguruh aus Holz schnitzt.
Welche Person, die ihr unterwegs getroffen habt, hat euch am meisten beeindruckt?
Silke: Ein Müllmann mit einem zahmen Papagei auf der Schulter.
Christian: Ja, und der Ranger auf Fraser Island, der uns zu seinen Lieblingsplätzen auf der Insel mitgenommen hat.
Silke: Vater und Tochter, die zusammen auf einem Surfbord die Wellen in Byron Bay geritten sind, und ein Wasserflugzeugpilot, der uns mit zu den Whitsunday Islands genommen hat. Da wir an jedem Ort nur einen Tag waren, hatten wir leider keine Zeit, Menschen näher kennenzulernen.
Nach den Filmen über Neuseeland, Portugal und die Nordsee gibt es diesmal erstmalig das Buch zum Film. Warum denn das?
Christian: Weil man in 100 Tagen viel mehr erlebt als man in einem abendfüllenden Kinofilm unterbringen kann. Und weil die Zuschauer dann noch viele zusätzliche Informationen bekommen und haufenweise wertvolle Reisetipps. Außerdem kann man ein Buch viel besser mit auf Reisen nehmen und nachschlagen. Wer hat schon einen Fernseher und einen DVD-Player im Koffer?
Wo kann man das Buch denn bekommen?
Christian: Beim Mana-Verlag, im Buchhandel, im Internet oder direkt von uns bei unseren Veranstaltungen im Kino.
Und ganz zum Schluss: Was ist euer nächstes Ziel?
Silke: Urlaub machen, ohne Kamera. Für den nächsten Reisefilm nehmen wir gerne noch Vorschläge entgegen. Unser nächster Kinofilm kommt im Mai 2013 ins Kino mit dem Titel Die Ostsee von oben.

25.08.2022 | mz | Quelle: comfilm.de
Kategorien: Filme | Magazin