Dienstag, 19. März 2024
Forderungen nach realistischen Öffnungsbedingungen
© AG Kino
Die Gilde Deutscher Filmkunsttheater, die AG Kino, fordert zur Wiedereröffung der Kinos am 1. Juli realisitsche Öffnungsbedingungen. Während in New York und Paris die Kinos ab 1. Juli wieder mit 100% Auslastung spielen, sind hierzulande in den meisten Bundesländern die Auflagen noch unbefriedigend und nicht nachvollziehbar.
»Die rasch gesunkenen Inzidenzen und die immer höhere Impfquote führen in vielen gesellschaftlichen Bereichen zu Lockerungen. Doch leider beobachten wir für die Kulturorte nach wie vor ein Zurückhalten, Aufschieben und Vertrösten der Politik«,  so Christian Bräuer, Vorsitzender der AG Kino. »So erleben wir jeden Abend bei der Sommer-Berlinale, dass die Gäste vorher in der Außengastronomie ohne Maske beisammensitzen, essen und trinken, miteinander reden und dann fassungslos erfahren, dass sie für die Filmvorführung nun Tests benötigen, um zwei Stunden still nebeneinander sitzend und nach vorne schauend einen Film zu erleben.«
Auch die Berliner Freiluftkinos fordern vom Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, Erklärungen, warum Zuschauende, die in Einer- oder Zweiergruppen unter Einhaltung der Mindestabstände im Kino sitzen, weiter einen Test nachweisen müssen. „Worauf beruht hier die Einschätzung einer höheren Infektionsgefahr im Vergleich zum Veranstaltungsort Biergarten oder zum Public-Viewing vor Spätis? Warum sind die Zuschauerbewegungen von Kulturinteressierten in ein Kino (meist zu Fuß oder per Fahrrad) gefährlicher, als die in Richtung Shopping oder Sport?“, heißt es in dem offenen Brief.
Dabei hatte unter anderem das Hermann-Rietschel-Institut der TU Berlin bereits im Februar eine Studie veröffentlicht, nach der die Ansteckungsgefahr in Kinos geringer ist als in Restaurants, Schwimmhallen, Fitnessstudios, Schulen oder Büros. Im Kino spricht man kaum, sitzt und sieht geschlossen nach vorne, zudem verfügen die meisten Kinos über Lüftungsanlagen, die die Luft mehrfach pro Stunde austauschen.
Bereits Mitte Mai verständigten sich die Kino- und Verleihverbände auf einen langfristig planbaren Öffnungstermin am 1. Juli. Dennoch fehlen in den meisten Bundesländern bis heute verbindliche Planungsparameter für die Kinos. Aktuell sind die Kinos mit einem föderalen Flickenteppich von Auflagen konfrontiert. Die Anpassung der Auflagen erfolgt oft in spontanen, wenig transparenten Verfahren, die den Kinos keine Planungssicherheit ermöglichen.
Abstandsauflagen, Test- und Maskenpflicht, Lüftungsanlagen, Besucherobergrenzen sind überall unterschiedlich geregelt. Aus Sicht des Verbandes hat die Regelungsflut nur noch wenig mit Infektionsschutz zu tun, den alle Kinobetreibenden ausdrücklich befürworten. »Wenn Maßnahmen unfair und für Menschen nicht mehr nachvollziehbar sind, fördern sie nicht die Akzeptanz für den nach wie vor wichtigen Infektionsschutz in der Bevölkerung«, so Christian Bräuer. »Unser Appell geht daher an die Politik, jetzt Auflagen für die Kinos zum 1. Juli zu benennen, die verhältnismäßig, sinnvoll und bundesweit vergleichbar sind. Empirisch bewährt hat sich ein Abstand von einem freien Sitz zwischen Besuchergruppen ohne Maskenpflicht am Platz.«
Wenn die Bedingungen nicht weiter angepasst werden, könnte es zudem auch sein, dass Filme untergehen können, denn die Anzahl der Filme pro Woche, die ab dem 1. Juli starten, kann sich nur schlecht mir den aktuellen Bedingungen messen. Kleinere Kinos haben hier klar das Nachsehen. Allein 20 Filme starten in der ersten Woche – zusätzlich zu den „Nachholern“ der letzten acht Monate, die auf ein Kinopublikum warten.
Weder Journalisten[m/w/d], noch Kinobetreiber[m/w/d] und erst recht nicht die Kinogänger[m/w/d] wissen, wie sie alles auf einmal unter einen Hut bringen sollen. Dann gibt es natürlich auch noch diejenigen, die weiterhin abwarten wollen, wie sich die Pandemie weiterentwickelt, die lieber erst geimpft ins Kino zurück wollen. Eines ist klar: Mit den derzeitigen Auflagen wird sich der Besucherandrang in Grenzen halten. Kaum jemand hat Lust, um einen Film zu sehen, einen Test vorlegen und die Kontaktdaten hinterlegen zu müssen. Zubereitete Speisen und Getränke bleiben zudem weiterhin außen vor.
Mit ihren Parallelveröffentlichungen in Kino und im eigenen Onlinedienst haben Warner Brothers und Disney bereits in den letzten Monaten für Furore gesorgt. Allerdings gibt es für die deutschen Filmfans zwei Wermuthstropfen: Warners HBOmax gibt es in Deutschland nicht und der Preis für ein VIP-Ticket bei Disney+ liegt jenseits einer gewöhnlichen Kinokarte. Zudem ist man an die eigenen technischen Restriktionen wie Bildschirmgröße und Raumklang gebunden – geschweige denn 3D! Am 8. Juli startet Disney nämlich Black Widow in den Kinos, der dort in 3D gezeigt werden soll, und einen Tag später über den hauseigenen VIP-Zugang. Also hoffen wir auf vernünftigere Regelungen zur Wiedereröffnung, und dass die Inzidenzzahlen weiterhin sinken…damit wir auch bald wieder mit einem »Wow!« aus dem Kino kommen können!

24.08.2022 | mz | Quellen: AG Kino, Arne Höhne
Kategorien: Aktuell | Magazin