Dienstag, 23. April 2024
Interview mit Michel Hazanavicius
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Der mit dem Oscar® ausgezeichnete Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Michel Hazanavicius ist vor allem für seine Tragikomödie The Artist bekannt, die 2012 mit fünf Oscars® prämiert wurde, darunter für den besten Film und die beste Regie. Der Schwarz-Weiß-Film mit Jean Dujardin und Bérénice Bejo in den Hauptrollen ist fast vollständig stumm und wurde nach seiner Weltpremiere im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes 2011 von der Kritik hoch gelobt.
Michel wurde am 29. März 1967 als Sohn jüdischer Eltern polnisch-litauischer Herkunft in Paris geboren. Bereits in jungen Jahren entwickelte er eine Vorliebe für amerikanisches Kino und Western. Vor allem aber Der dritte Mann habe ihn dazu inspiriert, Filmregisseur zu werden. Während sein älterer Bruder Serge Anfang der 1990er Jahre eine Karriere als Schauspieler startete, besuchte Michel die Nationale Kunstchochschule Cergy-Pontoise.
Erste Erfahrung beim Fernsehen sammelte er ab 1988 als Praktikant beim französischen Bezahlfernsehsender CANAL+ und wurde Sketchschreiber für die sendereigene Komikergruppe Les Nuls. Daneben arbeitete er auch als Autor für das Radio. 1992 übernahm er gemeinsam mit Dominique Mezerette die Regie an dem Kurzfilm Derrick contre Superman, der auch im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Unter Zuhilfenahme zahlreicher Ausschnitte aus bekannten Fernsehserien sowie deren Neusynchronisation erzählt der Kurzfilm eine neue Geschichte um den deutschen Serienkommissar Derrick, der gemeinsam mit Assistent Harry und illustren französischen und amerikanischen Serienfiguren, darunter u.a. Starsky & Hutch, Matt Houston und Captain Kirk versucht, einen Fernsehsender zu retten – und dabei gegen Superman, Roger Moore und Nummer 6 anzukämpfen hat.
Nach demselben Muster angelegt waren die Fernsehfilme Ça Détourne (1992) und La Classe Américaine (1993), der zu Silvester im französischen Fernsehen lief. Für diesen Film durften sich Michel Hazanavicius und Dominique Mezerette am gesamten Filmarchiv der Warner Brothers bedienen und bekamen auch zum Teil die Original-Synchronstimmen ans Rohr. 1999 inszenierte er dann seinen ersten Kinofilm Mes Amis mit seinem Bruder Serge und den französischen Größen Yvan Attal und Karin Viard.
Seinen Durchbruch im nationalen Kino erlangte Michel Hazanavicius 2006 mit seiner Agentenparodie OSS 117 | Der Spion, der sich liebte, in dem Jean Dujardin leicht naiv und trottelig den Superagenten Frankreichs zur Schau stellt. An dessen Seite inszenierte er zudem seine spätere Ehefrau Bérénice Bejo, die er auch in seinen künftigen Werken lukrativ neben Annette Bening, Stacy Martin und Omar Sy einsetzte.
In Final Cut of the Dead, oder Coupez!, wie er im Original heißt, spielt sie an der Seite von Frankreichs Erfolgsschauspieler Romain Duris, der durch die L’auberge Espagnole-Trilogie berühmt wurde. Was es mit dem Film und den Hintergründen auf sich hat, erklärt der Filmemacher im Interview…
Wie kam es zum Dreh?
Ich wollte schon seit langem eine Komödie über einen Filmdreh schreiben. Seit ich Regie führe, hatte ich die Gelegenheit, viele lustige Verhaltensweisen zu beobachten und habe viele Drehs erlebt, manchmal erstaunlich, manchmal lächerlich, manchmal berührend. Ich mag dieses Grundmaterial – ein Filmset, das eine Art leicht überspitzte Mikrogesellschaft ist, in der sich die Figuren oft auf spektakuläre Weise offenbaren. Also habe ich mich während des ersten Lockdowns darauf eingelassen und habe angefangen, Notizen zu machen und an einer Geschichte zu arbeiten, die sich um die Idee eines langen Einzeltakes dreht.
Dann sprach ich zufällig mit Vincent Maraval darüber, der sich sehr freute, dass ich mich für dieses Thema interessierte, und mir erzählte, dass seine Firma gerade die Rechte an One Cut of the Dead erworben hatte, einem japanischen Studentenfilm aus dem Jahr 2017, der absolut mit dem zusammenhing, wovon ich ihm erzählt hatte. Ich sah mir den Film an und fand ihn wirklich gut, mit einem brillanten strukturellen Konzept. Ich sagte Vincent und Noëmie Devide, die das Original auf einem Festival entdeckt hatten, dass ich Lust auf ein Remake hätte. Coupez! ist das Remake von Shin’ichirô Uedas Film, der wiederum eine Adaption des Theaterstücks „Ghost in the Box“ ist.
Sind Sie ein Fan von Splatter- und Z-Filmen?
Nicht wirklich. Ich habe mal ein paar davon gesehen, weil ich sie lustig fand, aber ich kann nicht wirklich sagen, dass ich ein Fan bin. Andererseits gefällt mir die Idee, dass ein Regisseur einen Film macht, egal was, mit oder ohne Budget. Das, was zählt, ist das Tun, das Machen. Ich finde diesen Ansatz nicht nur mutig, sondern vor allem auch schön. In diesem Genre ist Tim Burtons Ed Wood eine echte Leistung. Abgesehen davon habe ich mir für Coupez! eine ganze Reihe von Zombiefilmen und -serien angesehen und noch einmal alle Filme von George Romero. Vielleicht erinnert die Hauptkulisse an das Einkaufszentrum in Dawn of the Dead. Mein Film ist eigentlich gar kein Zombiefilm, er ist kein Train to Busan.
Doch in Ihrem Film sehen Sie nie auf das Genre herab…
Nein, ganz und gar nicht. Für mich funktioniert eine Neuinterpretation nur dann, wenn sie mit Respekt und Zärtlichkeit für das neu angeeignete Werk verbunden ist. Das macht es noch interessanter und vielschichtiger. Ohne das kann man schnell in Spott oder gar Hohn verfallen. Es ist oft ein schmaler Grat, aber ich brauche einen soliden ersten Grad, damit es einen zweiten Grad geben kann. Hinter allem, was lustig ist, steckt immer eine echte Geschichte, und ich muss mit dieser Geschichte im Einklang sein.
Ist es eine Hommage, wie es Ihre OSS 117-Filme gewesen sein könnten?
Ja und nein. Die OSS 117-Filme waren schlicht und einfach eine Nachahmung. Die Figuren sind Stereotypen und haben keine Realität. In diesem Sinne gibt es eine Verwandtschaft mit dem ersten Teil von Coupez!. Es stimmt, dass es Spaß macht, bekannte Filmwerke zu nehmen und mit ihnen zu spielen, um eine Dynamik zwischen der Erinnerung, die wir an diese Filme haben, und dem, was ich vorschlage, zu schaffen. Das ist ein fruchtbares Mittel. Das ist das Prinzip hinter La Classe Américaine, aber auch The Artist und Godard mon Amour.
Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ja, es ist eine Hommage an die DIY-Filme, an No-Budget-Filme, die mit mehr Energie als Geld gemacht werden, aber der Film ist auch, und vielleicht vor allem, eine Hommage an die Menschen, die Filme machen – Schauspieler und Regisseure, aber auch Techniker, Auszubildende, alle – eine Hommage an das Kino, wie es gemacht wird, an das Handwerk des Kinos, Tag für Tag. Darin unterscheidet er sich von OSS 117, der gewiss nicht als Hommage an rassistische, ungebildete, frauenfeindliche, homophobe und leicht antisemitische Franzosen gedacht ist.
Final Cut of the Dead ist in erster Linie eine Komödie.
Ja, in erster Linie. Es ist eine Komödie, vielleicht von besonderer Art, aber es ist wirklich eine dicke, fette Komödie. Ich habe mich sehr gefreut, mit Coupez! zur Komödie zurückzukehren, so wie ich es bei OSS 117 und La Classe Américaine getan habe – Filme, die ausschließlich darauf ausgerichtet sind, die Leute zum Lachen zu bringen. Wir sind in dieser Richtung unterwegs. Es gibt sicherlich eine Verbindung zu The Artist und Godard mon Amour, die sich ebenfalls mit dem Kino beschäftigten, aber vom Ton her ist er näher an OSS 117 und La Classe Américaine. Außerdem gibt es in Coupez! mehrere Arten von Komödie, sowohl völlig absurde als auch anspruchsvollere Sachen.
In der Struktur selbst gibt es die Nachahmung des ersten Teils, die Charakter- und Situationskomik des zweiten und einen eher Varieté-artigen dritten Teil, aber ich wollte auch viele verschiedene Dinge, verschiedene Arten von Lachern, innerhalb der Szenen unterbringen. Ich habe versucht, einen gehaltvollen Film zu machen, bei dem der Zuschauer mit einbezogen wird. Ich versuche immer, Filme zu machen, die man sich immer wieder ansehen kann, und ich hoffe, Coupez! ist einer davon. Auf jeden Fall finde ich, dass er zumindest beim zweiten Mal sehr gut funktioniert. Im Grunde genommen rate ich Ihnen nicht nur, ihn zu sehen, sondern ich empfehle Ihnen, ihn noch einmal zu sehen. Möglichst mehrmals. Und zwar mit unterschiedlichen Leuten.
Sie haben die japanische Schauspielerin Yoshiko Takehara besetzt, die auch in One Cut of the Dead die Rolle der Produzentin gespielt hat. Ist Ihr Film dem Original treu geblieben?
Ja und nein. Ich habe es so weit wie möglich verraten, um ihm so treu wie möglich zu sein, denn ich bin davon überzeugt, dass man abweichen muss, wenn man adaptiert. Natürlich habe ich die Struktur und alles, was mir gefiel, beibehalten, aber ich habe auch versucht, der Energie des Originals treu zu bleiben, das in nur sechs Tagen und mit sehr wenig Geld gedreht wurde. Wir haben natürlich in einem anderen Maßstab gearbeitet, aber unser Film war auch nicht sehr teuer. Er wurde in sechs Wochen gedreht, mit einem Budget von 4 Millionen Euro. Was die Schauspielerin Yoshiko Takehara angeht, so ist sie unglaublich. Sie bringt eine Verrücktheit mit, die nicht nur fröhlich ist, sondern auch erzählerisch sehr nützlich. Man kann wirklich an ein Projekt wie das im Film glauben, das dem Gehirn einer Figur wie der ihren entspringt.
Der Film ist durchzogen von poetischen Zeilen wie „Postapokalyptisches Stück Scheiße!“, „Sayonara, einarmiger Ghoul!“ oder mein persönlicher Favorit „Scheiß Zombies, ich reiße euch allen die Arschlöcher auf!“
Ja, in der Tat. Mein Ziel ist es, dass der Film auf der einen Seite klug genug ist, um sich auf der anderen Seite zu erlauben, völlig idiotisch zu sein. Die Energie des Films hat sich dafür angeboten, weil er nicht nur darauf hinausläuft. Er ist gehaltvoller. Deshalb erschien es mir ausgewogen, auch auf diese Art von Unsinn einzugehen.
Splatter und Hohn stehen hier neben einer großen Liebe für das Handwerk Kino.
Ja, das ist die Idee. Die Figuren haben es schwer, sie sind anfangs nicht besonders brillant, und sie haben ihre Probleme, aber irgendwann tun sie sich zusammen und schaffen es, das Ende zu erreichen. An dieser Stelle werden sie zu Helden. Der Film, den sie machen, ist kein Meisterwerk, aber sie machen ihn. Sie kommen ans Ziel, und das ist das Wichtigste. Wissen Sie, es ist schwer, einen Film zu machen – selbst einen schlechten, das ist schwer. Manchmal sagen uns die Kritiker, wir hätten einen schlechten Film gemacht. Aber so ist es nicht. Ich habe viele befreundete Regisseure, und ich habe noch nie einen von ihnen sagen hören: „Ich mache gerade einen schlechten Film.“
Wir geben jedes Mal unser Bestes. Manchmal sind wir nicht in Topform, oder wir haben Geldsorgen, oder wir haben nicht den Schauspieler, den wir haben wollten, oder er kennt seinen Text nicht, oder es regnet, wenn wir Sonne brauchen… Kurz gesagt: wir haben viele Probleme, und wir überwinden sie nicht immer. Wir können es vermasseln. Aber gleichzeitig kann es auch ein schönes menschliches Abenteuer sein. Filme zu machen ist immer eine ultrafantastische Erfahrung, bei der wir sechs, acht, zwölf Wochen lang zusammenarbeiten, zusammenleben und jeder sein Bestes gibt. Das Kollektiv ist stärker als die Summe der Einzelnen, und das menschliche Abenteuer ist manchmal interessanter oder schöner als das Projekt, das man herstellt. Und es ist nicht unbedingt eine so große Sache. Genau darum geht es in diesem Film.
Lassen Sie uns über die Besetzung sprechen. Zunächst ist da einmal Romain Duris.
Romain Duris ist ein Schauspieler, den ich liebe, und einer dieser Schauspieler, die mit dem Alter immer besser werden. Er sieht gut aus, ist sehr witzig, und ich wollte schon lange mit ihm arbeiten. Er ist sehr großzügig. Seine Figur ist nicht ganz der Clown mit dem weißen Gesicht. Er ist komplexer, aber er ist von sozialen Außenseitern umgeben und Romain hat die Intelligenz, seinen Partnern Raum zu lassen. Er spielt, was es zu spielen gibt, ohne sich um das Ergebnis oder die Tatsache zu kümmern, dass er die Hauptrolle spielt, und er versucht nicht, lustig zu sein. Das ist für einen Regisseur eine wahre Freude. Er ist immer auf den Punkt, auch wenn er bereit ist, einem in Richtungen zu folgen, die er nicht erwartet hat. Es ist eine echte Zusammenarbeit.
Außerdem hat er die Rolle in weniger als 24 Stunden angenommen. Es ist eine wahre Freude, einen eifrigen, enthusiastischen Schauspieler zu haben. Im Übrigen hat der Film eine ziemlich überwältigende Begeisterung ausgelöst. Als ich die Schauspieler anrief, kam praktisch sofort ein „Ja“! Sie haben sich alle gefreut, in einer Komödie mitzumachen, in der sie sich austoben können, eine Komödie mit Zombies, aber auch mit Figuren, die sie am besten kennen: Filmleute.
Die Besetzung ist fantastisch.
Ja, es ist ein Film mit vielen Figuren, die fast die ganze Zeit präsent sind, und wir hatten das Glück, einen Haufen großartiger Schauspieler zur Verfügung zu haben, die alle gerne dabei waren. Die Liste ist lang, und es hat mir Spaß gemacht, mit allen zusammenzuarbeiten. Also los geht’s…
Finnegan Oldfield hatte ich in Selfie und Le Poulain gesehen und bei den Césars, wo er in dem Jahr, als ich für Godard mon Amour dort war, einen legendären Witz gemacht hatte. Ich habe ihm die Rolle des Schauspielers angeboten, der ein bisschen nervt, und er hat sofort zugesagt. Das war eine großartige Erfahrung. Er ist ein Schauspieler, der wirklich an seinen Rollen arbeitet, der sucht, der eine ansteckende Energie besitzt und der sehr glücklich war, in einer Komödie mitzuspielen. Als Schauspieler hat er eine Vitalität, die ich liebe. Er ist nie müde.
Dasselbe gilt für Grégory Gadebois, mit dem ich bereits zusammengearbeitet habe und den ich sehr schätze. Auch er war sehr glücklich, in einer Komödie mitzuspielen. Er hat so viel Menschlichkeit… Er ist nicht unbedingt an Komödien gewöhnt, aber er weiß, wie man alles macht. Er ist urkomisch in diesem Film.
Raphaël Quenard habe ich in Mandibules von Quentin Dupieux gesehen. Er ist perfekt in der Rolle einer unangenehmen Figur. Er hat etwas Verrücktes und gleichzeitig Frisches an sich, er ist etwas ganz Besonderes.
Und dann ist da noch Matilda Lutz, die wir schon in Revenge gesehen haben und die perfekt für die Rolle war, sowohl sehr hübsch, wie es die Figur erfordert, als auch mit einem Verständnis des Genres, das es ihr erlaubt, sich zu verändern und sehr subtil in einem komischen Setting zu sein.
Dann ist da noch Sébastien Chassagne, ein Chamäleon, dem es immer gelingt, der Komödie eine gewisse Ernsthaftigkeit zu verleihen, selbst wenn er Vollgas gibt. Jean-Pascal Zidi, ein offensichtliches komödiantisches Kraftpaket, schafft es, mit wenig Aufwand komisch zu sein, aber er ist vor allem ein wunderbarer Schauspieler. Sehr präzise und sehr intelligent. Das Gleiche gilt für Lyes Salem, ein solider Schauspieler, der nicht danach strebt, lustig zu sein, der den Situationen einfach vertraut.
Dann gibt es noch Agnès Hurstel, Luana Bairami und Raïka Hazavanicius, die zwar nur kleine Rollen spielen, aber ihre Persönlichkeiten und ihre Modernität einbringen und dem Film Farbe geben. Der Film hat wirklich von ihrem Talent profitiert. Und dann ist da noch meine älteste Tochter, Simone Hazanavicius, die die Tochter des von Romain Duris gespielten Regisseurs spielt. Es war sehr bewegend und zufriedenstellend, mit ihr zu arbeiten. Meine Tochter bei den Dreharbeiten wiederzuentdecken, mit ihrer Sensibilität zu arbeiten und mit ihr als Schauspielerin, das war eine tolle Erfahrung. Sie verleiht dem Film eine ganz besondere Note, die ihm eine zusätzliche Dimension beschert.
Und natürlich Bérénice Béjo. War es schwer, sie zu überzeugen?
Wissen Sie, da gibt es wirklich nichts, was selbstverständlich ist. Jeder Film ist anders, jede Figur ist anders, es gibt kein Gesetz, das besagt, dass Bérénice in allen meinen Filmen auftauchen wird oder dass sie alles akzeptieren wird, was ich ihr vorschlage. Außerdem, um ehrlich zu sein, habe ich mir für diesen Film zuerst gesagt, dass sie nicht die richtige Rolle ist. Ich habe ihr gesagt, dass wir diesen Film nicht zusammen machen werden. Ich hatte mir einen härteren Charakter vorgestellt, für eine Schauspielerin wie Blanche Gardin zum Beispiel.
Dann habe ich sie gebeten, das Drehbuch zu lesen. Es gefiel ihr. Und die Art und Weise, wie es ihr gefiel, überzeugte mich, dass sie hervorragend sein würde. Letztendlich ist sie in dem Film großartig. Sie ist eine erstaunliche Schauspielerin. Sie fängt jedesmal bei Null an. Sie arbeitet viel an ihren Rollen, nicht nur körperlich, und kommt mit einer enormen Bereitschaft ans Set, die es ihr ermöglicht, wirklich zu arbeiten, zu erkunden, sich zu verbessern. Sie bringt auch eine große Menschlichkeit mit, sie respektiert immer die Figur, ohne nach Effekten zu suchen – was die Komödie bereichert. Sie ist eine dieser sehr guten Schauspielerinnen, die viele verschiedene Charaktere spielen können und die man nur ein wenig anschieben muss, um ins Komödiantische zu kippen.
Es ist immer schwierig, gut über die Person zu sprechen, die man liebt, wenn man für einen Film wirbt, denn wir werden als Paar angesprochen, so dass es etwas Schamloses hat, das als Selbstgefälligkeit rüberkommen kann. Aber hier spreche ich über Bérénice Béjo, die Schauspielerin – also ist alles in Ordnung. Und seit sie angefangen hat, Krav Maga zu praktizieren, sage ich lieber nur Gutes über sie.
Der Film erzählt die Geschichte einer Familie, aber es ist auch eine echte Familiengeschichte. Er ist ziemlich meta.
Wirklich meta. Meine Frau spielt die Frau des Regisseurs. Meine Tochter spielt ihre Tochter. Das passt zum Thema. Aber der Film ist auf vielen Ebenen meta. Es ist ein ständiges Mise en abyme (Bild im Bild). Die Dreharbeiten zu einem Film in einem Film, der selbst die Geschichte der Dreharbeiten zu einem Film erzählt, der das Remake eines japanischen Films ist, der die Geschichte des Remakes eines japanischen Films erzählt, Schauspieler, die Schauspieler spielen, Szenen, die aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden… Sogar wir haben uns manchmal während der Dreharbeiten verlaufen!
Die Filmidee ist mutig. Es gibt diesen ersten Teil, der etwa dreißig Minuten dauert, dann kommt der Rückwärtsschuss, der alles erklärt und das Lachen verzehnfacht.
Das war eines der Probleme des Originals, bei dem einige Zuschauer offenbar recht schnell abgeschaltet haben. Es ist schwierig, einen Film zu machen, der als Misserfolg wahrgenommen werden muss und trotzdem unterhaltsam ist. Der Versuch, zu viele Gags einzubauen, hätte dem Ganzen geschadet, es musste ein schlechter Film sein, aber wenn man sich damit zufrieden gibt, einen schlechten Film zu machen, riskiert man, nur das zu machen: einen schlechten Film. Dieser Film hat eine besondere Struktur, die respektiert werden musste.
Handelt es sich beim ersten Teil wirklich um eine einzige, ungeschnittene Aufnahme?
Es handelt sich um eine echte 32-minütige Sequenz, mit einem kleinen Schnittpunkt, den ich aus technischen Gründen machen musste. Aber ich konnte es genauso machen, weil es wie eine Sequenz gedacht, gedreht und ausgeführt wurde. Ich war nie so besessen von Sequenzaufnahmen wie Gaspar Noé oder Alfonso Cuarón. Sie waren nie mein heiliger Gral, auch wenn sie offensichtlich oft eine große erzählerische Kraft besitzen.
Ich habe natürlich einige gemacht, aber bei Komödien neige ich dazu, zu schneiden, um das Beste aus jeder Einstellung herauszuholen, die Schauspieler zur Geltung zu bringen, das Tempo zu beherrschen usw. Hier mussten wir uns dieser Übung stellen, mit der zusätzlichen Anforderung, dass sie scheinbar gescheitert war – natürlich unter Kontrolle des Scheiterns, denn es bereitet den letzten Teil vor. Also habe ich das Ganze in einem Storyboard festgehalten. Alles in allem sehe ich diese Aufnahme als 250 Einstellungen, die durch eine einzige Kamerabewegung verbunden sind.
Wir haben mit den Schauspielern gearbeitet, wir haben fünf der sechs Vorbereitungswochen geprobt. Die Schauspieler kamen jeden Tag ans Set, ebenso wie Jonathan Ricquebourg, der Kameramann, der für das Licht und den Bildausschnitt zuständig war. Die Dinge entwickelten sich, und ich erstellte ein neues Storyboard, so dass jede Bewegung, jede Kameraposition und jedes Timing immer wieder geprobt wurden, bis alle es verinnerlicht hatten. In der letzten Vorbereitungswoche arbeiteten wir mit den Grips, den Spezialeffekten, den Stuntleuten, dem Make-up, der Garderobe… Wir hatten Kunstblut, Enthauptungen, Figuren, die sich in Zombies verwandeln, mit ein paar Sekunden Zeit für Make-up-Wechsel, Prothesen, Linsen usw. Wir haben alles choreografiert, damit die Bewegungen und das Timing so präzise wie möglich waren.
Am Ende haben wir in vier Tagen gedreht – jedesmal mit dem freudigen Gefühl, eine Leistung erbracht zu haben. Aber der beste Take kam am Nachmittag des vierten Tages. Ich muss sagen, dass die ganze Crew bewundernswert zusammenhielt. Und was wir erlebten, war in gewisser Weise gar nicht so weit von dem entfernt, was im Film erzählt wird. Von Jonathan Ricquebourg, dem talentierten jungen Kameramann, über Julien Decoin, den ersten Assistenten, die Produktionsdesignerin Joan le Boru, Vesna Peborde, die Maskenbildnerin, und die Friseurin Margo Blache hatte ich das Glück, eine ebenso solide wie talentierte Crew zu haben.
Der von Romain Duris gespielte Regisseur rennt die ganze Zeit. Ist das, was Regisseure tun?
Nicht unbedingt. Wörtlich genommen, obwohl es bei einem Dreh sicherlich besser ist, gute Schuhe zu tragen. Es gibt immer eine gewisse Dringlichkeit, denn am Set arbeiten viele Leute, und das bedeutet viel Geld. Zeit ist teuer. Und man braucht sie, um zu arbeiten – Zeit. Also, metaphorisch gesehen, ja, man ist ständig auf der Jagd – nach dem Film, den du zu machen hoffst und der dir ständig entgleitet.
In Final Cut of the Dead haben Sie die Qual der Wahl, wenn es um Probleme geht: die gedrehte Sequenz, der Film im Film, die miteinander verwobenen Geschichten, der Meta-Aspekt…
Ja, aber es sind nicht unbedingt Probleme, es sind eher Spielwiesen. Das ist es auch, was mich an diesem Job reizt, denn ich versuche, nie denselben Film zweimal zu machen. Ich mag die Idee der Entdeckung, jedes Mal einen neuen Film zu machen, und zu versuchen, die Spielregeln und die besondere Funktionsweise zu lernen.
Jean-Christophe Spadaccini, der große SFX-Maestro, kümmerte sich um alle Spezial- und Splattereffekte.
Ja, ich hatte bereits mit ihm zusammengearbeitet, und er ist unglaublich gut. Die Herausforderung für ihn war der Performance-Aspekt, aber auch das Einhalten des Coupez!-Gedankens und das Finden von spottbilligen Lösungen, die dennoch angemessen waren und die richtigen Werte in Bezug auf die Erzählung hatten. Für die gedrehte Sequenz war es wie ein Live-Dreh, es gab keinen Raum für Fehler. Er war mit seiner Crew am Set. Sie haben literweise Blut vergossen, sie haben Enthauptungen und Effekte gemacht, es war urkomisch. Es gibt nichts Digitales in dem Film, alles wurde am Set gemacht, wir haben versucht, die billigsten Lösungen zu finden – ganz oldschool!
Für die Musik haben Sie Alexandre Desplat herangezogen.
Er ist ein großartiger Komponist. Er versteht schnell. Seine Analyse der Dramaturgie bringt viel in den Film ein – eine echte Sensibilität. Und er ist sehr bescheiden. Wenn man ihm sagt, dass etwas nicht funktioniert, komponiert er etwas anderes – mit einer beunruhigenden Leichtigkeit. Es ist fast irritierend, dass ihm alles so leicht zu fallen scheint. Von Muzak bis hin zu einer richtigen Filmmusik (natürlich auch Zombiefilmmusik) ist bei ihm alles einfach, er kann alles. Ich habe gerne mit ihm gearbeitet.
Im Abspann zollen Sie Bertrand Tavernier und Jean-Paul Belmondo Tribut und danken auch Quentin Dupieux.
Quentin hat eine kleine, nicht sprechende Rolle als Regisseur eines Films, der nicht so toll zu sein scheint. Ich hatte schon in einigen seiner Filme mitgewirkt, also habe ich ihn gebeten, eine Rolle für mich zu übernehmen. Tavernier und Belmondo – das ist etwas anderes. Wir haben ihnen so viel zu verdanken. Beide haben mir in meinem Leben sehr viel bedeutet, allein schon die Tatsache, dass ich Filme mache, und wahrscheinlich auch die Art, wie ich sie mache. Beide haben uns während der Dreharbeiten zu diesem Film verlassen, und ich wollte ihnen ein kleines Zeichen setzen. Ich habe sie beide sehr geliebt.
Sind Sie schließlich mit Ihrem Film zufrieden?
Überaus zufrieden! Es steckt viel drin, und obwohl es ein Remake ist, sehe ich ihn paradoxerweise als einen sehr persönlichen Film. Ich bin sehr froh, dass Noëmie Devide, Brahim Chioua und Vincent Maraval ihn möglich gemacht haben.
 

05.03.2023 | mz | Quelle: weltkino
Kategorien: Magazin