
Julie Delpy wurde am 21. Dezember 1969 in Paris geboren. Die Tochter des französischen Schauspielerpaares Marie Pillet und Albert Delpy stand mit fünf Jahren bereits auf einer Theaterbühne. Sie absolvierte ein Regiestudium an der Filmhochschule in New York und lebt seit 1992 in Los Angeles.
Eine erste kleinere Rolle erhielt sie 1985 in Jean-Luc Godards Détective. Für ihre Rolle in Die Nacht ist jung wurde sie 1987 für den César als Beste Nachwuchsdarstellerin nominiert. Ihre erste große Hauptrolle spielte sie 1987 in Bertrand Taverniers Film Die Passion der Beatrice. Mit dem in Deutschland sehr erfolgreichen Film Hitlerjunge Salomon, in dem sie die weibliche Hauptrolle spielte, begann ihre internationale Karriere.
Ihre Zusammenarbeit mit namhaften Regisseuren wie Volker Schlöndorff und Krzysztof Kieślowski wie auch ihre Darstellungen in Popcorn-Filmen wie Disneys Die drei Musketiere (1993) oder American Werewolf in Paris machten sie zu einer vielseitigen Schauspielerin.
Nachdem sie 1995 zusammen mit Ethan Hawke in Richard Linklaters Before Sunrise Erfolge feierte, schrieb sie auch an dessen Fortsetzungen Before Sunset (2004) und Before Midnight (2013) am Drehbuch mit, was ihr je eine Oscar®-Nominierung und für ihre schauspielerischen Leistungen im letzteren Film eine Golden Globe®-Nominierung einbrachte.
2001 spielte sie in sieben Folgen der US-Erfolgsserie ER die Freundin von Dr. Kovac. Im Herbst 2003 erschien eine CD mit elf Chansons in englischer und französischer Sprache, zu denen sie sich selbst auf der Gitarre begleitete.
Ihr Regiedebüt feierte Julie Delpy 2007 mit 2 Tage Paris, worin sie die kulturellen Unterschiede zwischen Amerikanern und Franzosen parodiert, was 2012 in 2 Tage New York fortgeführt wurde. Es folgten Filme wie Lolo mit Dany Boon und My Zoe mit Richard Armitage und Daniel Brühl.
Von 2004 bis 2013 war die mit dem deutschen Filmmusikkomponisten Marc Streitenfeld liiert, mit dem sie einen Sohn, Leo, hat. 2017 wurde ihr der Europäische Filmpreis in der Kategorie Beste europäische Leistung im Weltkino zuerkannt. 2024 drehte sie die Gesellschaftskomödie Die Barbaren, in der sie mit scharfem Blick menschliche Schwächen wie Vorurteile und fehlende Toleranz gegenüber Flüchtlingen entlarvt.
Sie produzieren sowohl internationale als auch französische Filme. Doch Ihre französischen Produktionen sind vorwiegend Gesellschaftskomödien. Woran liegt das?
Das liegt vermutlich an meiner Vorliebe für Humor und Satire. Ich spreche gern über Themen, die mir wichtig sind, aber in einem Ton, der das Publikum anspricht, ohne belehrend zu wirken. Ich mag Komödien, die Bedeutung haben und zum Nachdenken anregen. Vielleicht gibt es auch einen wirtschaftlichen Grund: In Frankreich ist es einfacher, Komödien zu produzieren. Das galt allerdings nicht für Die Barbaren. Der Film war wegen seines Themas nicht gerade einfach zu finanzieren.
Eine Aussage wie „Ich spreche kein Macron“, geäußert vom Dorfpolizisten, lässt eine politische Sensibilität erkennen, oder?
Dieser Film will die Menschen in erster Linie unterhalten, zugleich aber auch einen Subtext vermitteln, ohne dabei naiv zu sein. Alle Zwischenszenen des Films, die die fünf Akte einleiten, stehen in Verbindung mit Themen wie den Religions- und Kolonialkriegen oder der angeblichen Überlegenheit der Weißen. Das spiegelt einmal mehr meine Prägung wider: Die Vorstellung, dass eine Rasse, eine Religion oder ein Mensch weniger wert sein könnte als andere, ist für mich absolut inakzeptabel. Das habe ich auf bildhafte Weise umgesetzt: Jeder Akt wird von klassischer Musik untermalt, wobei ich bewusst Beethoven und Mozart ausgewählt habe.
Die Figuren im Film scheinen den Geist französischer Komödien der 1970er Jahre widerzuspiegeln. Hatten Sie dabei bestimmte Vorbilder oder Inspirationen im Kopf?
Nicht wirklich. Generell gibt es bei mir nur wenige Referenzen, wenn ich Filme mache. Bei diesem sind es vielleicht zwei, drei Momente, wie die Szenen in der Scheune mit der Wurstverkäuferin und dem Lebensmittelhändler, bei denen ich mich bestimmten Aspekten von Die Gelüste des Herrn Theobald angenähert habe. Ich mag den Ton der Komödien aus dieser Zeit, insbesondere den der Le Splendid-Gruppe, diesen Humor, der ziemlich direkt war.
Heute geht man deutlich vorsichtiger vor, man moralisiert viel. Ich bevorzuge es, wenn die Dinge den Leuten direkt ins Gesicht gesagt werden. Ohne eine uneingeschränkte Meinungsfreiheit verteidigen zu wollen, befürchte ich, dass wir diese gerade gefährden. Für mich ist es jedoch entscheidend, dass einzigartige Gedanken, kritisches und philosophisches Denken erhalten bleiben. Meine Identität definiert sich allein durch meinen kritischen Verstand.
Kommen wir zurück zur Idee der Gesellschaftskomödie. Für das Gruppenportrait ist die Besetzung entscheidend. Wie haben Sie Ihre ausgewählt?
Natürlich gibt es einige, mit denen ich schon zuvor gearbeitet habe, wie Mathieu Demy oder meinen Vater. Aber vieles basiert auch auf Instinkt. Laurent Lafitte habe ich bei einem Festival kennengelernt und sofort das Gefühl gehabt, dass er perfekt für die Rolle des Klempners wäre. Ich war mir sicher, dass er das Drehbuch verstehen und Spaß an der Rolle haben würde.
Ähnlich war es bei Sandrine Kiberlain, die ich schon mehrfach getroffen hatte. Ich empfand sie als sehr menschlich und nahbar und dachte mir, dass ihr dieses Projekt gefallen könnte, da es darum geht, wie man Empathie für andere bewahrt. Meine Besetzungsleiterin hatte Bedenken, dass sie ablehnen würde, weil es eine Nebenrolle war, aber sie hat sofort zugesagt.
Bei den anderen war es ähnlich, beispielsweise Marc Fraize. Man sagte mir, er würde sich nur für seine eigenen Shows interessieren und das Projekt nie annehmen. Doch er las das Drehbuch und sagte sofort zu.
Die Barbaren ist ein Film, der sehr direkt ist und im Gegensatz zu Ihren vorherigen Werken eher wie eine impulsive Reaktion wirkt.
Teilweise! In Familientreffen mit Hindernissen ging es um eine zerrissene Familie und die Spaltung zwischen liberalen Personen auf der einen Seite und der extremen Rechten auf der anderen. Dieser Film spielte in der Zeit kurz vor dem Machtantritt von François Mitterrands und beschreibt einen postkolonialen Rassismus, der auch meine Kindheit ein Stück weit geprägt hat. Auch wenn es dabei Unterschiede gab: Mein Vater war und ist das genaue Gegenteil dieser Denkweise, aber andere Mitglieder meiner Familie hatten sie. Das hat mich als Kind tief erschüttert und ist bis heute in mir geblieben.
Die Barbaren behandelt dies ebenfalls, allerdings ohne dabei belehrend zu sein. Ich mag keine Filme, die den moralischen Zeigefinger erheben oder mit dem Hammer auf den Kopf hauen. Es war entscheidend, jeder Figur, selbst der karikaturhaftesten, ihre Menschlichkeit zu bewahren, sie nicht unerträglich wirken zu lassen, sondern die Realität von Menschen zu zeigen, die aus Angst heraus handeln.
Meine Figur Joëlle sagt an einer Stelle: „Es ist die Angst, die Angst vor den Anderen; die Angst, dass einem etwas weggenommen wird, selbst wenn nichts genommen wird; die Angst, dass einem etwas weggenommen werden könnte.“
Die Parallele zu Familientreffen mit Hindernissen ist umso offensichtlicher: vom Gruppenporträt bis hin zu einer Momentaufnahme einer Epoche, dazu die Bretagne als Schauplatz. Allerdings spielte Familientreffen mit Hindernissen um den Mai 1981, einer Zeit voller Hoffnung. Die Barbaren hingegen ist in einer Gegenwart angesiedelt, die viel unsicherer ist.
Es ist eindeutig, dass das aktuelle, globale Klima alles andere als entspannt ist. Mein Sohn ist 15 Jahre alt und lernt derzeit in der Schule über Diktaturen. Er sagte zu mir: »Mama, das ist ein Kreislauf, der alle 80 Jahre zurückkehrt, das ist katastrophal!« Heute verschärfen sich die Dinge zusätzlich: vom militärischen Machtstreben über die Überbevölkerung bis hin zum Klimawandel – all das verschlimmert die Situation. Die Menschheit bewegt sich in eine gefährliche Richtung.
Aber, wie man sagt: Nach dem Sturm kommt der Sonnenschein. Es könnte nur leider sehr lange dauern, und deshalb muss man wachsam bleiben. Dennoch ist Die Barbaren kein Film mit einer Botschaft. Er versucht lediglich, ehrlich mit der aktuellen Situation umzugehen, die weder verharmlost noch verteufelt werden sollte.
In Ihrem Film geht es auch um die Frage der Verleugnung – sei es gegenüber anderen oder sich selbst. Besonders auffällig ist dies bei den weiblichen Figuren, die alle letztlich eine Art von Erwachen erleben.
Ja, sie rebellieren schließlich. Als ich den Film kürzlich wieder angesehen habe, wurde mir bewusst, dass er zutiefst feministisch ist – allerdings nicht im Sinne einer simplen Kritik am Patriarchat in all seinen aggressiven Ausprägungen. Die Barbaren ist keineswegs männerfeindlich; es gibt sehr positive männliche Figuren im Film. Es geht vielmehr gegen den Machismus. Daher auch die Figur Géraldine, die Frau des Klempners, die ihrem Mann besonders unterwürfig ist und sich schließlich auflehnt, indem sie sagt: „Ab jetzt entscheide ich!“
Die Frauen sind es letztlich, die die Situation retten, indem sie ihre Differenzen und Vorurteile überwinden. Und das geht, auch wenn das jetzt etwas symbolträchtig ist, sogar bis zur Geburtsszene. Während sie neues Leben schenken, bringen sie zwei Männer dazu, das Gleiche zu tun.
Das bringt uns zurück zur Mechanik der Komödie: Die Figuren, über die Sie sich am meisten lustig machen, sind die Männer – allerdings ohne sie auf bloße Archetypen zu reduzieren, sondern als vielschichtige Charaktere, deren lächerliche Seiten humorvoll offengelegt werden.
Das hat sich schon beim Schreiben gezeigt. Sowohl Männer als auch Frauen haben in diesem Film ihre Fehler, doch die komischen Aspekte betreffen vor allem die Männer – besonders einen, der gewissermaßen der Bösewicht ist, der eigentliche Antagonist. Er ist von Anfang an starr auf seine Überzeugungen fixiert, stößt überall an und verhält sich wie ein Gockel im Hühnerhof. Er ist sehr primitiv. Aber das ist keine Erfindung! Es gibt solche Menschen wirklich, in der Realität sogar oft viel aggressiver, gewalttätiger und radikaler.
Ich habe das jedoch durch andere Figuren ausgeglichen: Der Großvater ist großartig, ebenso der Bauer. Und dann gibt es den Geflüchteten, der einfach Schwierigkeiten hat, sich anzupassen. Es ging mir aber nicht darum, diese Figur zu verallgemeinern. Ich wollte durch ihn einen Vater zeigen, der nicht damit zurechtkommt, dass er als Geflüchteter unter seinem früheren Niveau lebt.
Gleichzeitig war es wichtig, Figuren zu haben, die nicht von Anfang an sympathisch sind – wie den Lebensmittelhändler, ohne sie direkt unsympathisch zu machen. Gerade solche Figuren sind oft die lustigsten und bieten das größte Potenzial für Komik.
Die Barbaren bezieht sich auf zahlreiche sozialpolitische Ereignisse. Aber was war der Auslöser für den Film?
Der Auslöser für den Film war der Wunsch, darüber zu sprechen, wie Geflüchtete in Europa aufgenommen werden, ohne zu urteilen, sondern vielmehr aus einer beobachtenden Perspektive. Zusammen mit meinen Mit-Autoren haben wir uns auf verschiedene Sendungen und Dokumentationen zu diesem Thema gestützt und viele Geflüchtete in mehreren europäischen Ländern interviewt.
Doch während wir am Drehbuch arbeiteten, brach der Krieg in der Ukraine aus. Uns wurden die unterschiedlichen Arten deutlich, wie geflohene Menschen behandelt werden. Daraufhin erweiterten wir unser Recherchefeld und interviewten auch Menschen, die gegen die Aufnahme von Geflüchteten sind, um diese Perspektive in unsere komödiantische Dynamik einzubringen.
Die Barbaren wirft also einen Blick auf Europa, aber durch die Augen einer Regisseurin, die selbst Migrantin ist: Sie sind eine Französin, die seit Jahren in Los Angeles lebt. Hat diese Situation den Film beeinflusst?
Ich bin in der Tat eine Emigrantin, aber keine Geflüchtete, was einen erheblichen Unterschied macht. Trotzdem habe ich eine Sonderbehandlung erfahren: Man mag denken, dass Franzosen in den USA willkommen sind, aber das bleibt eine Fantasie. Ich spüre das sehr oft: Sobald es ein Problem gibt oder ich etwas ablehne, werde ich anders angesehen. Egal, woher man kommt oder wo man sich niederlässt, es gibt immer ein negativeres Urteil über einen Einwanderer als über einen Einheimischen.
Ich möchte mich nicht mit politischen Flüchtlingen vergleichen, ihre Situation ist weit weniger privilegiert als meine. Meine Sicht auf Europa ist einzigartig, weil ich zwischen den USA und Europa hin und her pendle. Als ich nach Frankreich zurückkehrte, sind mir Dinge wie der Anstieg identitärer Bewegungen so richtig ins Gesicht gesprungen und das Land, das ich zu kennen glaubte, bevor ich es verließ, hat mich sehr verwirrt. Dieser Film ist auch eine Art für mich, dies zu erforschen.
Sie beenden Die Barbaren mit einer frischen Beziehung, die sich zwischen der Tochter der Flüchtlingsfamilie und einem Jungen aus dem Dorf entwickelt.
Es ist ja auch ein positiver Film! Nur weil ich von Natur aus eher düster bin, heißt das nicht, dass man die Hoffnung aufgeben sollte. Ich möchte meinem Kind nicht die Idee in den Kopf setzen, dass es keine Zukunft mehr auf diesem Planeten gibt, dass wir alle so dumm wie Brot sind, alle Faschisten, und dass wir uns alle gegenseitig umbringen werden. Gerade diese beiden Jugendlichen sind noch offen für die Welt, sie haben keine Angst, weder die eine noch der andere, sich auf diese Geschichte einzulassen. Ich möchte diese beiden jungen Menschen sehen, ihre Liebesgeschichte. Ich weiß, dass sie möglich ist.