Freitag, 29. März 2024
To Rome with Love
Nach seinem Publikums- und Kritikererfolg Midnight in Paris besucht Kinolegende Woody Allen in seiner neuen Komödie To Rome with Love die Ewige Stadt und schickt seine Protagonisten auf ins Abenteuer quer durch die Tiber-Metropole. Sie werden in haarsträubende Abenteuer verwickelt, die alle auch mit dem ewigen Thema Liebe zu tun haben:
John, ein namhafter Architekt, hat vor vielen Jahren einmal in Rom studiert und streift nun als Tourist durch das Viertel, in dem er einst wohnte. Dabei stößt er unverhofft auf den jungen, ebenfalls amerikanischen Architekturstudenten Jack, der ihn irgendwie an sein früheres Selbst erinnert.
Die beiden freunden sich schnell an. Als John dann aber mitbekommt, wie Jack zusehends Monica, der glamourösen, koketten, aber auch sehr egozentrischen Bekannten seiner grundsympathischen Freundin Sally verfällt, muss John eine der schmerzlichsten romantischen Episoden aus seiner eigenen Jugend gewissermaßen noch einmal durchleben.
Maßlos beeindruckt hingegen ist der ehemalige Opernregisseur Jerry, der gerade mit Ehefrau Phyllis in Rom zu Besuch ist, und zwar vom Gesangstalent eines bescheidenen Bestattungsunternehmers, den er nun (nicht zuletzt, um seine eigene Karriere wieder in Schwung zu bringen) ganz groß herausbringen möchte.
Zur selben Zeit fliegen der ehemalige amerikanische Opernregisseur Jerry und dessen Ehefrau Phyllis nach Rom, um dort die gemeinsame Tochter Hayley und deren italienischen Verlobten Michelangelo zu treffen. In Rom angekommen hört Jerry zufällig, wie Michelangelos Vater Giancarlo (dargestellt vom berühmten Tenor Fabio Armiliato) unter der Dusche Arien zum Besten gibt, und zwar in einer solchen Qualität, wie man sie sonst nur in der Mailänder Scala geboten bekommt.
In heller Begeisterung für seine Talententdeckung beschließt der künstlerisch niemals so recht anerkannte Ruheständler, den bescheidenen Giancarlo auf die großen Opernbühnen dieser Welt zu stellen und auf diese Weise nicht zuletzt auch die eigene verpasste Karriere wieder in Schwung zu bringen.
Leopoldo Pisanello ist im Gegensatz dazu ein ziemlich langweiliger und weitgehend talentfreier Römer. Eines Morgens aber findet er sich vollkommen verwandelt wieder, nicht als gigantisches Ungeziefer wie in Kafkas berühmter Erzählung, sondern als eine der größten Berühmtheiten ganz Italiens. Die Ursache dafür bleibt rätselhaft. Bald wird Leopoldo auf Schritt und tritt von den Paparazzi verfolgt, und jede seiner Taten und Äußerungen wird von der gespannten Öffentlichkeit mit enormer Aufmerksamkeit verfolgt.
Zunächst genießt er die Annehmlichkeiten seines unerklärlichen Ruhms in vollen Zügen und erliegt sämtlichen Verführungen des Rampenlichts, dann aber lernt er auch die Schattenseiten seiner plötzlichen Prominenz kennen. Denn der Rummel beginnt, ihn zusehends einzuschränken und hochgradig zu nerven.
Unterdessen trifft auch Antonio aus der italienischen Provinz in Rom ein, wo er seine ebenso einflussreiche wie sittenstrenge Verwandtschaft mit seiner bezaubernden und freilich hochanständigen jungen Ehefrau Milly beeindrucken und einen gut dotierten Job an Land ziehen möchte. Einem Zufall ist es zuzuschreiben, dass das frisch vermählte Paar ausgerechnet an diesem wichtigen Tag getrennt wird.
Aber damit nicht genug, denn der Tag endet damit, dass Antonio die stadtbekannte Edelprostituierte Anna als seine Gattin ausgibt und Milly sich auf eine Liaison mit dem berüchtigten Filmstar Luca Salta einlässt… Hintersinniger Humor, geschliffene Dialoge, wunderbar sommerliche Bilder – der „Stadtneurotiker“ zeigt sich wieder einmal von seiner besten Seite.
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Rom ist einzigartig. Denn einerseits ist man in Rom umgeben von den stummen Monumenten einer untergegangenen antiken Hochkultur, und andererseits vom Lärm und Getöse einer modernen Metropole. In dieser Hinsicht stellt Rom die perfekte Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart dar – und darüber hinaus ein pulsierendes Zentrum der Kultur und Kunst sowie der exorbitanten Genüsse und Gaumenfreuden.
»In Rom spielt sich ein Großteil des Lebens an der frischen Luft ab, auf den Straßen und in den Straßencafés«, stellt Woody Allen fest. »Nur durch Rom zu spazieren ist bereits aufregend. Die Stadt ist ein einziges Kunstwerk.« Ihrem vielschichtigen Charakter entsprechend beherbergt die Stadt sowohl viele sehr modern eingestellte, kultivierte und trendige Einwohner als auch zahlreiche äußerst traditionsbewusste.
Hinzu kommen jährlich Millionen von Besuchern, die die Annehmlichkeiten der italienischen Hauptstadt in vollen Zügen genießen. Angesichts der vielen Gesichter und Facetten Roms, erschien es Woody Allen nahezu unmöglich, hier einen Film zu realisieren, der sich auf lediglich einen, stringent durcherzählten Plot stützt.
»Die Stadt«, so der Filmemacher, »lädt vielmehr dazu ein, ein ganze Reihe von Geschichten gleichzeitig zu erzählen, sie geht geradezu schwanger mit Ideen und Möglichkeiten. Man hat den Eindruck, dass jeder beliebige Römer oder Römerin, die man auf der Straße anspricht, einem sofort eine Million Geschichten aus der Stadt und über die Stadt erzählen kann.«
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Die Geschichten, die To Rome with Love erzählt, drehen sich ausnahmslos um die Suche nach Liebe und Sex in ihren verschiedenen Variationen: von der Verlobung über die Flitterwochen bis hin zu den ausgekochtesten Formen ehelicher Untreue, von zärtlicher Romantik bis hin zu handfesteren Formen spontaner Zweisamkeit, vom Absurden und Lächerlichen bis hin zum Ergreifenden und Tiefgründigen, vom Hochgefühl der jungen Liebe bis zu den Abgründen gebrochener Herzen und verflogener Illusionen.
Es geht aber auch um Ruhm und das Sehnen danach, ob er unerwartet kommt, geplant oder auch überhaupt nicht. »Man wird vom Ruhm verführt«, meint der Regisseur dazu, »aber nicht zwangsläufig korrumpiert. Der Ruhm verschafft Möglichkeiten, die einem normalen Menschen niemals offenstehen. Also kann man den Ruhm als eine äußerst verlockende Droge bezeichnen, die auch bei Leopoldo ihre Wirkung keineswegs verfehlt.«
»Man gibt sein Privatleben auf, man wird ständig gejagt, alles, was man sagt oder tut wird unter die Lupe genommen«, weiß er aus Erfahrung. Und auch Roberto Benigni, der in Italien als absoluter Superstar gilt, kann ein Lied davon singen:
»Es ist mein Traum, einmal wieder vollkommen unerkannt und unbehelligt durch die Straßen zu gehen, Leute zu beobachten, einen Kaffee zu trinken, eine Pizza zu essen und mit Freunden zu plaudern. Ich habe einen Teil meines früheren Lebens verloren, denn genau das kann ich eben nicht mehr tun. Doch wenn mich auf der Straße niemand mehr erkennen würde, dann wäre ich, ehrlich gesagt, beunruhigt. Das würde mir dann wahrscheinlich auch nicht gefallen. Es bleibt also alles widersprüchlich.«
Und Ellen Page glaubt, dass Monica ebenfalls nur auf einer permanenten Suche nach Selbstbestätigung durch die Bewunderung der anderen ist: »Wenn Monica mit anderen Leuten in Kontakt tritt, nimmt sie jedes Mal die Pose einer etwas angestrengten Intellektualität ein. Ich glaube, dass das etwas mit ihrer eigenen Unsicherheit und ihrem Bedürfnis, sich wichtig zu fühlen, zu tun hat, so etwa nach dem Motto: „Bitte, mögt mich doch! Ich bin gescheit, und außerdem kenne ich dieses wirklich witzige Zitat!“«
Jenes anscheinend fundamentale Bedürfnis der menschlichen Psyche, nämlich der Hunger nach Anerkennung und Beachtung, könnte der Motor für das unablässige Streben nach Ruhm sein. »Wir leben in einer Gesellschaft, die Ruhm als etwas absolut Erstrebenswertes und Anbetungswürdiges betrachtet«, meint Ellen Page.
»Dabei ist es längst offenbar geworden, dass ein allein darauf ausgerichteter Lebensstil nicht gerade gesund ist, ja, er kann Menschen sogar zerstören oder vollkommen sozial isolieren. Doch viele Leute denken weiterhin: ‚Das wird mich endlich glücklich machen, es wird bewirken, dass ich mich wichtig fühle, es wird mir das Gefühl von Sicherheit und Macht verleihen!’ Die bittere Ironie dabei ist nur, dass genau das, von dem sie immer gedacht hatten, es werde sie ausfüllen, ihre innere Leere letztlich nur noch vergrößert.«
Und Woody Allen ergänzt abschließend: »Die Leute streben nach Ruhm aus demselben Grund, warum sie auch hinter allem anderen her sind, seien es nun Reichtümer, schöne Klamotten, kulturelle Weihen oder sportliche Höchstleistungen, nämlich allein deshalb, um jemandem vom anderen (und manchmal auch vom eigenen) Geschlecht zu imponieren und an sich zu ziehen. Dies ist im Grunde immer unserer Absicht, so sehr wir sie auch verbergen, tarnen oder sonst wie zu kaschieren versuchen.«
To Rome with Love gehört gewiss nicht zu Woody Allens Glanzleistungen, ist aber ein recht vergnügliches Stelldichein verschiedener Figuren und Schauspieler diesseits und jenseits des Atlantiks, und nach Barcelona und Paris die nächste Liebeserklärung an eine europäische Stadt. Bleibt nur noch die Frage: Kann er auch eine deutsche Stadt so lieben?

26.12.2020 | mz
Kategorien: Feature | Filme