Donnerstag, 12. September 2024
Horizon

Eine amerikanische Saga

Horizon | An American Saga | Chapter 1

Horizon
© Tobis | Warner Brothers
Pionsenay (Owen Crow Shoe)
Die Siedlung Horizon
Elizabeth (Georgia MacPhail), Frances Kittredge (Sienna Miller) und Nathaniel (Hayes Costner)
Nathaniel (Hayes Costner)
Sgt. Major Thomas Riordan (Michael Rooker, 2.v.l.)
1st Lt. Trent Gephart (Sam Worthington)
Col. Albert Houghton (Danny Huston) und Sgt. Major Thomas Riordan (Michael Rooker)
Diamond Kittredge (Isabelle Fuhrman)
Hugh Proctor (Tom Payne) und Juliette Chesney (Ella Hunt)
Matthew van Weyden (Luke Wilson)
Pionsenay (Owen Crow Shoe) und Taklishim (Tatanka Means)
Hayes Ellison (Kevin Costner)
Marigold (Abbey Lee)
Ellen | Lucy (Jena Malone)
Caleb Sykes (Jamie Campbell Bower) und Hayes Ellison (Kevin Costner)
Hayes Ellison (Kevin Costner)
Frances Kittredge (Sienna Miller)
Liluye (Wasé Chief)
Regisseur Kevin Costner am Set
Regisseur Kevin Costner am Set
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Vor mehr als 30 Jahren schrieb der zweifache Oscar®-Preisträger Kevin Costner mit Der mit dem Wolf tanzt Filmgeschichte und definierte den Western neu. Auch jenseits der Leinwand blieb er dem Genre treu und spielte in Yellowstone die Hauptrolle in einer der erfolgreichsten US-Serien der letzten Jahre.
Während der Zusammenarbeit mit Serienschöpfer Taylor Sheridan bekam er schließlich die Idee, mit seinem gewagten vierteiligen Projekt Horizon ein Stück amerikanischer Geschichte ausführlich zu erzählen – so wie es vermutlich auch war. Immerhin trägt das Projekt den Untertitel „An American Saga“ – eine amerikanische Sage, überliefert durch Erzählungen und Niederschriften.

»The place isn’t unlucky, it’s just the poor bastard under it.«

Col. Albert Houghton

Im Mittelpunkt stehen verschiedene Personen und Familien, die irgendwie mit dem Ort Horizon verbunden sind – eine fruchtbare, von einem Fluss durchzogene, Prärielandschaft im San-Pedro-Tal. Da sind die einheimischen Apachen, die sich zunächst wundern, was diese fremden „Weißaugen“ auf ihrem Land machen. Während das Stammesoberhaupt keine Not sieht und in Frieden mit den Siedlern leben will, beschließt dessen Sohn Pionsenay, die neuen Siedler aus Angst vor Vertreibung zu töten – egal ob Mann, Frau oder Kind.
Ähnlich wie bei Taylor Sheridans Serien 1883, 1923 und Yellowstone, in dem die Chronik der Familie Dutton erzählt wird, ist es hier zunächst die Familie Kittredge. Zunächst erleben wir einen Teil der Familie, der zu den ersten Siedlern des umworbenen, entstehenden Orts gehört, später einen anderen Teil der Familie, die in einer Wagenkolonne westwärts zieht.
Dann haben wir die Großfamilie Sykes in Montana, die mit Gewalt ihr Territorium verwaltet. Von dort entflieht Haushaltshilfe Lucy mit ihrem Neugeborenen, nachdem sie dessen Vater, das Familienoberhaupt erschießt. Später treffen wir sie in Wyoming wieder, wo sie mit einem Mann und einer anderen jungen Frau namens Marigold lebt, die wiederum auf der Suche nach dem richtigen Mann ist, der für sie sorgen und sie ihn glücklich machen kann.
Und kein Geringerer als Kevin Costner kommt dann (nach einer Stunde Laufzeit) endlich ins Bild geritten und macht sogleich die Bekanntschaft mit Marigold. Kleiner Fakt am Rande: Seine Figur heißt Hayes Ellison, benannt nach Kevin Costners eigenem Sohn Hayes, der hier seine erste Rolle als Nathaniel Kittredge gibt.
Während die skrupellosen Sykes-Brüder die Geflüchtete wiedergefunden haben, die sich nun Emily nennt, macht sich nun Bruder Caleb Sykes auf den Weg zu Emilys Haus, um seinen kleinen Bruder zur Familie zurückzuführen. Doch der durchtriebene Caleb mit seinem losen Mundwerk trifft zufällig auf Hayes Ellison…
🤠
Ohne zu viel zu verraten: Die Geschichte ist interessant und lädt ein, weiter zu gucken. Man erfährt, dass Hayes Ellison irgendwo eine Familie hat, aber auch nicht mehr. Doch Kevin Costners wortkarger Cowboy weiß sich zu artikulieren und sich mit seiner Mimik auszudrücken.
»Exemplarisch erzählen wir in unserem Westernepos von Paaren und Einzelpersonen, die vor etwas davonlaufen, sich auf dem Weg nach Westen befinden, um Freiheit, Reichtum und Glück zu finden. Mit ungewissem Ausgang…«, erzählt der Filmemacher, Schauspieler, Drehbuchautor und Produzent. »Viele der Leute, primär Immigranten, fanden sich im Westen wieder und brachten ihre Geschichte von zu Hause mit, ob gut oder schlecht. Ich habe versucht, ihre Erlebnisse so hautnah wie möglich zu schildern – und das, während gegensätzliche Kulturen blutig aufeinanderprallten.«
Dabei findet Kevin Costner eine bestimmte Erzählweise, die die Größe des „Westens“ noch viel breiter erzählt als je zuvor, wie Jena Malone berichtet, die mit ihm bereits in Aus Liebe zum Spiel und in der Western-Miniserie Hatfields & McCoys zusammengespielt hat: »Die Handlung ist vielschichtig, sehr charakterbetont, ausdrucksstark. Es geht nicht nur um die Ereignisse, die den Figuren widerfahren, sondern primär um deren Sicht der Dinge. Die Frauen, die Kinder, die indigenen Völker… alle haben ihre ganz eigene Stimme. Aus ihrer Perspektive wird die Geschichte erzählt. Es gibt hier keine einfachen Wahrheiten, kein Richtig und kein Falsch.«
Zudem sprechen die Indigenen auch ihre eigene Sprache, die auch in der deutschen Fassung untertitelt ist. Tatanka Means, der den Apachen Taklishim spielt, ist begeistert, die Sprache der Apachen auf der Leinwand zu hören: »Ich habe in der Vergangenheit schon Apache gesprochen. Er kommt dem Navajo-Dialekt, mit dem ich in der Navajo-Nation aufgewachsen bin, sehr nahe. Ich hatte das Gefühl, den Dialekt einigermaßen zu beherrschen. Wenn man ihn gesprochen hört, klingt er wunderschön. Ich denke, dass die Ureinwohner es genießen werden, die Apache-Sprache im Kino zu hören. Und vielleicht wird er bei jungen Menschen so viel Anklang finden, dass sie in der Folge versuchen, diese Sprache an künftige Generationen weiterzugeben.«
»Man konnte das Land, in das die Siedler vordrangen, nicht teilen. Also beschlossen sie, es sich einfach zu nehmen. Sie taten zwar so, als wären sie bereit, es zu teilen, aber nur um zunächst Fuß zu fassen. Sie verdrängten die indigenen Einwohner, rotteten die Angehörigen der rund 500 Indianervölker fast aus. Das ist die Wahrheit. Die erkunden wir in Horizon, auch aus dem Blickwinkel der Indigenen«, erzählt Kevin Costner weiter.
»Im Zentrum steht die Kollision der unterschiedlichen (Werte-)Welten. Auf der einen Seite stehen die Pioniere, auf der anderen die Ureinwohner. Dabei war es mir wichtig, den Letztgenannten die Würde und Wildheit zu verleihen, die sie besaßen. Ich wollte zeigen, warum sie kämpften -um ihre Traditionen, ihre Existenz. Sie kämpften nicht für eine Flagge, sie kämpften für ihren Nachbarn, die Kinder, mit denen sie aufgewachsen waren, deren Mütter und Großmütter. Es wäre unfair gewesen, sie nicht in ihrer ganzen Schönheit und Würde zu zeigen. Ich behaupte nicht, die beste Person dafür zu sein, das zu tun. Aber ich habe mein Bestes gegeben.«
🏜️
Im ersten Kapitel werden uns die Figuren nähergebracht. Ob das für einen abendfüllenden Kinofilm reicht, sei dahingestellt. Kevin Costner wollte das so. Dabei hat das Ganze eher die Konsistenz einer TV-Serie und erinnert ein wenig an 1883 oder auch (für ein älteres Publikum) Fackeln im Sturm, denn die Geschichte umfasst 15 Jahre.
Da Kapitel 2 bereits abgedreht ist, erleben wir am Ende des Films einen nahtlosen Übergang in eine Vorschau dessen. Vermutlich wusste man sich nicht anders zu behelfen, einen Kinofilm abrupt zu beenden. Für das Kino hat der Film auch nicht das richtige Format. Für ein Westernepos fehlen Breitwandaufnahmen. Immer wieder muss die Kamera im Bild schwenken, um eine ganze Szenerie einzufangen.
Auch wird Giovanni Ribisi im Kapitel 1 aufgeführt, obwohl er offensichtlich erst in Kapitel 2 mitspielt. Alles in allem ist der Film äußerst stimmig und keineswegs langweilig. Für die musikalische Untermahlung sorgt John Debney, der u.a. bereits die Musik zu Hatfields & McCoys komponiert hatte. Horizon hat eher das Potenzial einer Strömer-Serie – allein schon die ungefähr stündlichen Handlungswechsel weisen darauf hin, das Ganze als Serie zu etablieren.
In den USA konnte der Film im Kino nicht so sehr überzeugen, weshalb man dort eine zeitnahe Veröffentlichung im Heimkino forciert hat, in der Hoffnung, Kapitel 2 doch in die US-Kinos zu bringen, indem man mehr Publikum für Kapitel 1 gewinnt. In Deutschland kommt die Fortsetzung jedenfalls relativ zeitnah am 7. November in die Kinos – mit ebenfalls gut zweieinhalb Stunden plus Zusammenfassung und Abspann.

03.09.2024 | mz
Kategorien: Kino