In Anlehnung an den hochgelobten Bilderroman von Richard McGuire erzählt Here die Geschichte von Generationen von Menschen, die ihr Leben an demselben Ort auf dieser Erde verbringen. Der Film erstreckt sich von der Vorgeschichte bis in die Gegenwart und ist eine Odyssee, die von Liebe und Verlusten erzählt, die sich an einem einzigen Ort ereignen können.
Es geht um einen geografischen Ort aus der Sicht einer fest verankerten Kamera, stellvertretend für die Zuschauenden, die an diesem Ort Mäuschen spielen – unsichtbare Betrachter, die die Geschichte und das Verhalten der Bewohnenden beobachten und gegebenenfalls studieren.
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Die Geschichte wird nicht geradlinig erzählt, auch wenn zu Filmbeginn erst einmal Dinos durchs Bild rennen. Man springt immer wieder durch die Zeitebenen vor und zurück, immer wieder genial geschnitten von Jesse Goldsmith. Bei einem Szenenübergang verändert sich das Bild in Puzzleteil-artigen rechtwinkligen Abschnitten, die wie Mosaikblöcke in das nächste Bild übergehen.
»Das Buch von Richard McGuire ist faszinierend, denn die Geschichte selbst spielt an einem visuellen Ort auf dieser Erde und die Welt verändert sich um ihn herum«, sagt Robert Zemeckis. »McGuire setzt dies grafisch um, indem er diese Tafeln über dieselbe Ansicht malt. Es gibt verschiedene Tafeln zu verschiedenen Zeiten, und manchmal sind sie grösser, manchmal kleiner, und manchmal überlappen sie, wenn die Jahre wechseln. Bei der Umsetzung der Geschichte in einen Film haben wir denselben visuellen Ansatz verwendet, um das Gefühl einzufangen, dass sich die verschiedenen Geschichten überschneiden und durch die Zeit hinweg miteinander kommunizieren.«
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»Es brauchte ein ganzes Leben als Filmemacher, um zu wissen, wie man diese Geschichte erzählen kann«, sagt Robert Zemeckis. »Wenn man einen Film macht, der aus einer einzigen Kameraeinstellung über Jahrhunderte hinweg spielt, muss jede einzelne Szene innerhalb dieses Rahmens funktionieren. Das hört sich wirklich einfach an, aber damit jede einzelne Szene für jede Figur in jeder Zeitperiode funktioniert, wird es das komplizierteste Set, das man sich vorstellen kann.«
Da die Kamera jedoch nicht bewegt oder eingestellt werden konnte, erforderten Faktoren wie die unterschiedlichen Körpergrössen der Schauspielenden eine gewisse Kreativität beim Arrangieren des Szenenbildes. »Ich hatte einen kleinen Graben, in dem ich gelaufen bin«, lacht Paul Bettany, der 1,90m gross ist, »der Paul-Bettany-Graben. All diese Teile wurden herausgenommen, und es war wie Tetris, sie wieder einzusetzen. Manchmal waren Leute unter der Kamera, die sie für die verschiedenen vorbeilaufenden Leute austauschten. Wenn ich also näher an die Kamera herankomme, bleibe ich im Bild, weil ich eigentlich einen Abhang hinunterlaufe.«
Die Filmemacher setzten auch die zeitgemäße LED-Technologie ein, um die Kulissen noch eindrucksvoller und mitreißender zu gestalten. »Als wir anfingen, dachten wir, das Naheliegendste wäre, einfach eine blaue Leinwand vor das Fenster zu stellen, weil wir so viele Jahres- und Tageszeiten haben«, sagt Robert Zemeckis.
»Aber der LED-Bildschirm ist grossartig, weil man das Licht in Echtzeit ändern kann. Man kann sagen: „Ich möchte, dass die Sonne etwas tiefer steht“, und sie stellen es einfach ein, und die Schatten vor dem Fenster werden länger. Man muss nicht wochenlang auf die Nachproduktion warten, um zu sehen, wie das Ganze zusammenpasst.«
All diese technischen Entscheidungen, von modernster Technologie bis hin zu klassischen praktischen Effekten, führen zu einer Geschichte, die sowohl intim als auch von epischer Tragweite ist. »Wir sitzen hier, genau jetzt, auf einer Kugel, die sich alle 24 Stunden einmal um sich selbst dreht und sich mit 16.000 Stundenkilometern bewegt, aber wir spüren es nicht«, sinniert Produzent Bill Block.
»Dieser Film ruft ein ähnliches Gefühl hervor. Heraklit sagte, dass kein Mensch zweimal in denselben Fluss trete, weil er nicht derselbe Mensch sei und es nicht derselbe Fluss wäre. Dieser Gedanke des Wandels, der Unbeständigkeit, der Veränderlichkeit – darum geht es in dieser Geschichte.«
Robert Zemeckis wusste, dass er sich genau überlegen musste, wie er die Schauspielenden in den verschiedenen Altersstufen (von Jugendlichen bis hin zu Großeltern) darstellen wollte. Um ein nahtloses und glaubwürdiges Gefühl des Alterns zu schaffen, arbeiteten die Filmemacher mit dem VFX-Studio Metaphysic zusammen, das Tausende von Archivbildern von den Darstellern verwendete, um das digitale Makeup für die Schauspieler zu erstellen.
»Wenn man eine so komplizierte Geschichte wie diese erzählt, bei der sich verschiedene Zeitfenster überschneiden, wäre das mit verschiedenen Schauspielern, die dieselbe Figur spielen, sehr schwierig zu bewerkstelligen«, sagt der Filmemacher. »Dieses Werkzeug ermöglicht es wirklich großartigen Schauspielern wie Tom Hanks oder Robin Wright, ihre Figuren als junge Menschen zu spielen, so dass das Publikum nicht den Sprung machen muss, eine völlig andere Person zu sehen und zu sagen: „Oh das war er, als er jung war.“«
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Einerseits hat das wirklich super funktioniert, denn Tom Hanks hat bereits in jungen Jahren so oft vor der Kamera gestanden, dass man verblüfft ist, wie echt der junge Tom Hanks hier aussieht! Einen Haken hatte die Sache jedoch: Die verjüngten Schauspielenden durften ihren Kopf nur wenig und langsam bewegen. Wenn man genau hinsieht, erkennt man auch das digitale Makeup, was eventuell auch an der großen Leinwand liegen kann.
Ein weiteres Manko in dem Film ist die etwas plumpe und symbolische Darstellung der indigenen Bewohner, die mit einer eigenen Handlung einen geringfügigen Teil ausmachen. Um noch mehr zur Vielfalt beizutragen, hat man sich dann auch noch für eine afroamerikanische Familie entschieden, die dann in der Zukunft das Haus bewohnt.
Doch das eigentliche Herzstück des Films ist die Geschichte der Familie Young. Und wenn sich dann am Ende der Erzählreigen schließt, wenn der alte Richard noch einmal das leerstehende Haus seiner dementen Ehefrau zeigt, dann dürfte auch kein Auge mehr trocken bleiben. Schließlich springt die Kamera auf die andere Seite des Bildes und fliegt rückwärts durch das Fenster bis auf’s Dach des gegenüberliegenden Hauses von William Franklin, um von dem Haus und dessen Geschichten Abschied zu nehmen.
Es ist schwierig, diesen Film zu beschreiben. Herausgekommen ist eine Art Familienchronik, ein Bilderreigen, eine Art Fotoalbum – sozusagen der Transfer von Richard McGuires Buch mit bewegten Inhalten auf die Leinwand. Es ist ein großartiges Werk, allerdings nicht für die breite Masse. Es fließt kein Blut, Sperma oder Wasser, es gibt lediglich Konfliktbewältigung in losen Abständen mit mehr oder weniger Gezeter, Lachen oder Weinen.