Mittwoch, 1. Mai 2024
Felicity (Margaret Qualley), Dr. Godwin Baxter (Willem Dafoe) und Max McCandles (Ramy Youssef)
Dr. Godwin Baxter (Willem Dafoe)
Max McCandles (Ramy Youssef) und Dr. Godwin Baxter (Willem Dafoe)
Bella Baxter (Emma Stone)
Dr. Godwin Baxter (Willem Dafoe)
Max McCandles (Ramy Youssef), Bella Baxter (Emma Stone), Mrs. Prim (Vicki Pepperdine) und Dr. Godwin Baxter (Willem Dafoe)
Bella Baxter (Emma Stone) und Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo)
Martha Von Kurtzroc (Hanna Schygulla)
Bella Baxter (Emma Stone)
Bella Baxter (Emma Stone)
POOR THINGS. Photo Courtesy of Searchlight Pictures. © 2023 Searchlight Pictures All Rights Reserved.
Bella Baxter (Emma Stone)
Bella Baxter (Emma Stone)
Bella Baxter (Emma Stone) und Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo)
Bella Baxter (Emma Stone)
Swiney (Kathryn Hunter) und Bella Baxter (Emma Stone)
Bella Baxter (Emma Stone)
Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo)
Jerrod Carmichael am Set
Emma Stone und Mark Ruffalo bei den Dreharbeiten
Emma Stone beim Dreh
Yorgos Lanthimos und Emma Stone am Set
Yorgos Lanthimos und Emma Stone am Set
Emma Stone und Yorgos Lanthimos am Set
Emma Stone und Jerrod Carmichael beim Dreh
Yorgos Lanthimos und Emma Stone am Set
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Der brillante wie unorthodoxe Wissenschaftler Dr. Godwin Baxter, sichtlich selbst von Operationen gezeichnet, experimentiert mit Mutationen und Kreuzungen von Lebewesen. So finden wir u.a. ein bellendes Huhn, einen Hund mit Gänsekopf oder eine Dampfkutsche mit Pferdekopf.
Nebenbei experimentiert er aber auch mit Menschen, speziell die Rückführung von Toten ins Reich der Lebenden. Das kommt doch irgendwie bekannt vor… Der Schriftsteller Alasdair Gray nahm die bekannt Frankenstein-Geschichte und machte daraus die Erwachsen-werd-Geschichte einer jungen Frau, der unmittelbar nach ihrem Selbstmord das Gehirn ihres ungeborenen Babys eingepflanzt wird.
So finden wir zunächst „Bella“ in der Statur von Emma Stone, die sich genauso wie ein normales Baby verhält, mit dem Unterschied, dass sie, wenn nicht kontinuierlich beobachtet, größeren Schaden anstellen kann als so ein kleines Knäuel. Das Experiment scheint zunächst geglückt, weshalb der Wissenschaftler, der nicht nur wegen seines Vornamens auch Gott genannt wird, einen jungen aufstrebenden Kollegen mit einbezieht, um sein Experiment zu dokumentieren.
Stilistisch beginnt der Film mit einer Einführungsszene in Farbe, bevor er in Schwarz-Weiß wechselt. Der Anfang ist auch zunächst in altmodischem quadratischen Bildformat porträtiert. Erst als Bella beginnt, ihr Leben bewusst wahrzunehmen und in die Welt auszubrechen, ändert sich das Format in der Breite und wartet fortan mit knalligen Farben auf.
1 Lissabon
Unter Baxters Anleitung und Schutz ist Bella begierig, zu lernen. Sie ist hungrig auf das Leben und die Lebenserfahrung, die ihr fehlt. Mit Duncan Wedderburn, einem raffinierten und verrufenen Anwalt, bricht sie zu einem rasanten Abenteuer über die Kontinente auf. Als weltgewandter Frauenheld, der Affären mit vielen verschiedenen Frauen hatte, ist es für ihn eine letzten Endes zerstörende Erfahrung, als er sich völlig unerwartet in Bella Baxter verliebt.
»Sie wäre die perfekte Frau für ihn, wenn er sie einfach nur so sein ließe, wie sie ist«, findet Mark Ruffalo. »Sie ist rebellisch, aufsässig, zu allem bereit und sie lässt ihn etwas fühlen. Aber seine Kontrollsucht tötet die Beziehung. Hinter jedem tobenden Narzissten versteckt sich eine wirklich gebrochene und tief verletzte Person, und Bella fördert das gnadenlos zu Tage.«
Sie befreit sich immer mehr von den Zwängen und Vorurteilen ihrer Zeit und wächst zunehmend in ihrer Entschlossenheit, für Gleichheit und Freiheit einzutreten. In Lissabon ist sie zum ersten Mal draußen in der Welt, und sie will alles erleben und verschlingen, schwelgt in den endlosen Möglichkeiten, die sich vor ihr ausbreiten.
2 Das Schiff
Bella ist sofort von Martha fasziniert, als sie ihr auf dem Kreuzfahrtschiff erstmals begegnet. »Sie ist eine ältere Dame, die für die damalige Zeit auffällig exzentrisch gekleidet ist und sehr selbstbewusst und unabhängig auftritt. Bella fühlt sich von ihr sofort inspiriert«, erklärt Emma Stone.
»Ich sehe Martha als außergewöhnliche Blume in dem Garten der Existenz, den dieser Film vor uns ausbreitet«, erinnert sich die gefeierte deutsche Schauspielerin Hanna Schygulla, die Martha spielt. »Sie steht für die Befreiung der Frauen und ist emanzipiert. Sie ist wohlhabend und kann es sich leisten, gewisse Ideen und Ideologien zu haben, weil sie nie von einem Mann abhängig war.«
3 Alexandria
Auf dem Ozeandampfer trifft sie auch Harry Astley. Drehbuchautor Tony McNamara erklärt: »Bisher ist Bella überzeugt, dass die Menschen gut sind, was damit zusammenhängt, dass sie aus einer privilegierten Welt kommt. Harry öffnet ihren Blick auf die Welt. Er zeigt ihr Armut (etwas, von dem sie nicht wusste, dass es existiert), führt ihr vor Augen, dass die Wohlhabenden auf das Leben der Mittellosen blicken, als würden sie einen Zoo besuchen.«
Seine Perspektive, dass alle Menschen grausam sind, fällt bei Bella auf fruchtbaren Boden. »Als er sie nach Alexandria mitnimmt, zerspringt ihre Seele in tausend Stücke«, sagt Emma Stone. »Ihr gesamtes Leben verändert sich. Es ist ihr erstes Trauma und führt zu einigen sehr wichtigen Entscheidungen in ihrem Leben.«
4 Paris
In Paris erreicht Bella den Gipfel ihrer sexuellen und intellektuellen Entwicklung. Produzent Ed Guiney sagt: »Alle Fäden laufen hier zusammen. Hier entscheidet sie, wie sie die Welt sieht und wie sie in ihr Leben möchte.« Als sie sich von Douglas trennt, nachdem sie all sein Geld verschenkt hatte, trifft sie in einem Bordell auf Swiney.
»Swiney ist unerhört, gleichzeitig grausam und herzerwärmend«, erzählt Schauspielerin Kathryn Hunter mit ihrer einzigartigen, hypnotisierenden Stimme. »Auf den ersten Blick ist sie die abscheuliche Madame eines Bordells, aber dann stößt sie auf Bella und will diese herausragende Kreatur besitzen.«
»Bella erforscht das komplexe Wesen der Sexualität – sowohl ihre eigene, als auch die der Männer, einschließlich der von Swiney«, fügt Tony McNamara hinzu. »Bei Swiney versteht Bella schließlich, dass es nicht nur Männer sind, die sie zu kontrollieren versuchen.«
5 London
Als Bella nach Hause zurückkehrt und beginnt, sich erneut in ihrer vertrauten Welt heimisch und im Glück ihrer Existenz zu fühlen, taucht unvermittelt Alfred Blessington auf, und mit ihm rückt ihre gesamte Vorgeschichte in den Fokus.
Alfie mag Bella aus ihrem früheren Leben kennen, aber er sieht sie jetzt wirklich zum ersten Mal. »Es ist vermutlich ziemlich aufwühlend für ihn, weil Alfred sie nun als voll ausgeformte Erwachsene wiedererlebt«, erläutert Christopher Abbot. »Er glaubt wohl tatsächlich, dass sie immer noch die Frau von einst ist und er sich in einer Farce befindet – das hat viel mit Verleugnung zu tun.«
Während Alfie versucht, seinen Einfluss auf seine (im wahrsten Sinne des Wortes) Verflossene geltend zu machen, sehen wir auch Godwin Baxters Haltung zu Felicity. »Als Bella ihn verlässt, um auf ihre Reise zu gehen, weiß sich Baxter in seiner Traurigkeit nicht anders zu helfen, als zu versuchen, eine neue „Bella“ zu finden«, merkt Tony McNamara an. »Also findet er eine neue tote Frau und erweckt sie zu Leben. Das ist Felicity. Aber das Ergebnis ist nicht ganz so, wie er es sich erhofft hat. Er ist rasend enttäuscht.«
»Felicity ist ein bisschen einfältiger, in ihrer Entwicklung eingeschränkt«, sagt Schauspielerin Margaret Qualley. »Ich sehe nicht wirklich, dass sie irgendeinen Weg beschreitet. Sie bleibt unwissend und macht nicht dieselben Fortschritte wie Bella.«
Aus Bella wurde für Baxter mehr als nur ein Experiment, bei Felicity gibt es keinen Anlass, Gefühle für sie zu entwickeln. »Es ist sehr kompliziert und nuanciert, man muss viel Zeit darauf verwenden, wenn man genau analysieren will, worum es bei der Beziehung zwischen Bella und Baxter geht«, fährt sie fort. »Bei Felicity ist es kälter und auf Nützlichkeit beschränkt.«
👩🏻
Anfangs hatten die Filmemacher überlegt, womöglich Budapest oder Prag als Drehorte zu verwenden. Aber von Filmen aus den 1930er Jahren inspiriert, änderte Yorgos Lanthimos alsbald seinen Ansatz und ging dazu über, eine eigene Welt komplett aus dem Nichts aufzubauen. Er wollte, dass man die gebauten Sets als solche auf der Leinwand erkennen kann. Sie sollten auf diese Weise mehr oder weniger Teil des Gefüges des Films werden.
Die Produktion bezog mehrere Bühnenhallen in den Origo Studios in Budapest, wo die kompletten Welten von London und Baxters Haus errichtet wurden, sowie der Ozeandampfer, der Platz und das Bordell in Paris, ebenso das Hotel und die Slums in Alexandria.
Für die Stadt Lissabon kam die größte Bühnenhalle des europäischen Festlands in den Korda Studios in Budapest zum Einsatz. »Die Kulissen waren episch groß, wir errichteten ganze Sets, da konnte man in ein Haus spazieren, die Schuhe abstreifen und sich wie zuhause fühlen«, erklärt Produktionsdesigner James Price.
»Es war für mich unfassbar, dass man eine halbe Stunde brauchte, um durch alle Bauten zu laufen«, staunt Emma Stone. »Da waren Restaurants und Hotels… Es war, als hätten sie eine halbe Stadt gebaut.«
Wenn Bella in die Welt aufbricht und der Film Farbe bekommt, kommen auch immer mehr die fantastischen Farben zur Geltung – rosa Wolken, gelbe Häuser oder auch grüner Dampf. Immer wieder sind Seilbahnen im Bild und man sieht den Eiffelturm im Bau. Auch wird viel auf Weitwinkel gesetzt, damit auch alles ins Bild passt.
Um die Welt auf eine gewisse Weise zu präsentieren, setzte das Kamerateam Petzval-Objektive, adaptierte Projektorobjektive und Filmobjektive ein. »Der Fokus ist vogelwild und überall, nur das Zentrum ist grundsätzlich immer scharf gestellt«, sagt Kamerachef Robbie Ryan. »So entsteht eine wirklich erstaunliche Optik wie in einem Strudel, und wir erschufen mit unseren Objektiven eine ganz eigene Sprache.«
Poor Things ist ein schräger Film, den man nicht genau einem Genre zuordnen kann – Gesellschaftsdrama, Erwachsen-werd-Film, Abenteuer, Krimi, er ist sexuell freizügig, komisch, und nicht zu vergessen der Horroraspekt. Fehlt nur noch, das Ganze als Musical zu inszenieren! Dabei ist der Film mitreißend, was in erster Linie an Emma Stone hängt, wirkt aber auch teilweise ein wenig langgestreckt, weshalb das Ganze weit über zwei Stunden hinaus geht.
»Das Publikum soll verstehen, dass es sich um einen politischen Film handelt, und die feministischen und sozialistischen Aspekte erkennen«, sagt Andrew Gray, der Sohn des 2019 verstorbenen Romanautors. »Das Ziel des Buchs und nun auch des Films ist es, dass die Welt ein besserer Ort wird, weil man nicht länger bereit ist, all die Übel zu akzeptieren, die lange Zeit als normal angesehen wurden.«
Und das schlägt sich auch bei den Filmpreisen wieder. Nachdem Poor Things bei den Golden Globes® Barbie „geschlagen“ hat, kann man davon ausgehen, dass Bella sich bei den Oscars® zudem mit dem kompletten Phänomen „Barbenheimer“ messen muss…

05.03.2024 | mz
Kategorien: Kino