Was Sie schon immer über Donald Trump wissen wollten, aber nie genau wussten, ob Sie es auch wissen wollten – der preisgekrönte iranisch-dänische Filmemacher Ali Abbasi seziert schonungslos die dunkle Seite der Weltmacht USA und erzählt den Pakt zwischen einem teuflischen Mentor und dessen gelehrigen Schützling, der am Ende die Welt verändern sollte.
»I’m serious as a heart attack.«
Roy Cohn
New York in den 1970er Jahren. Noch steht der aufstrebende Millionärssohn Donald J. Trump am Anfang seiner Karriere. Doch er ist wild entschlossen, den Erwartungen seines übermächtigen Vaters nicht nur zu genügen. Um dessen Zwangsjacke endlich abzustreifen, will er in der Immobilienbranche von Manhattan auf eigene Faust reich und anerkannt werden – er weiß nur noch nicht wie.
Nachdem er in einen Gentlemen-Club aufgenommen wurde, begegnet er dem Mann, der zu einer der prägendsten Figuren seines Aufstiegs wird: Roy Cohn, dem gewieften Rechtsberater und Fixer im Politgeschäft, dem Mann für alle Fälle. Als einflussreicher Anwalt und helfende Hand von Senator McCarthy ließ er bei dessen Kommunistenjagd angeblich Verräter gnadenlos aufspüren.
Sofort erkennt Roy Cohn das gewaltige Potenzial des jungen Donald Trump, seine attraktive Erscheinung, seine Wissbegier, sein unbedingter Wille, nach oben zu kommen, koste es was es wolle. Akribisch, Zug um Zug schult er seinen überaus gelehrigen Schützling darin, wie man Macht und grenzenlosen Reichtum durch Betrug, Erpressung und die Manipulation der öffentlichen Meinung anhäuft.
Was letzten Endes zählte (so das Credo der beiden) war einzig und allein, dass man gewann. Und Donald Trump gewann, gewann und gewann auch das Herz des tschechischen Fotomodells Ivana Zelničková. Doch der psychische und physische Druck des Erfolgs ließ den Mogul innerlich abstumpfen. Auch die „aufgepeppten“ Busen seiner Frau lassen ihn gefühlsmäßig kalt. Sogar seinen um Hilfe bittenden älteren Bruder lässt er „im Regen stehen“.
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»Es ist keine History Channel-Dokumentation«, sagt Ali Abbasi. »Es ist kein Biopic über Donald Trump. Wir interessieren uns nicht für jedes kleinste Detail seines Lebens. Wir wollen anhand seiner Beziehung zu Roy und Roys Beziehung zu ihm eine ganz bestimmte Geschichte erzählen.«
Es ist keine Fake-News-Geschichte, denn Drehbuchautor Gabriel Sherman begann sein erstes Spielfilmdrehbuch mit intensiven Nachforschungen. Er las Biografien beider Männer und durchforstete YouTube nach Filmmaterial von ihnen aus den 1970er- und 80er-Jahren. Er interviewte auch Menschen, die Donald Trump als Kind gekannt hatten, sowie ehemalige Berufskollegen von Roy Cohn.
»Die Leute denken bei Trump an diese „Maschine der Empörung“, an diese hasserfüllte, spaltende Figur. Und in vielerlei Hinsicht ist er wie ein Schauspieler, der eine Rolle spielt – allerdings spielt er sie schon so lange, dass sie zu seiner Identität geworden ist«, sagt Gabriel Sherman. »Aber als er in seinen Zwanzigern noch ganz am Anfang stand, war er (als Person) noch längst nicht so ausgereift. Er trat zwar aggressiv und ehrgeizig auf, sieht man sich jedoch seine ersten Interviews an, spricht er eher leise, irgendwie zögerlich. Er hat einen gewissen Charme und ist leicht unsicher – das Gegenteil von dem Mann, den wir heute kennen. Diese Seite seiner Person zu erkunden, über die eigentlich kaum jemand spricht, war bei diesem Projekt besonders spannend.«
Und das ist auch der Knackpunkt für alle, die diesen Derwisch vorverurteilen. Es ist kein Film gegen Trump, aber auch kein Film für Trump. Der Film zeigt unverblümt, wie Donald Trump zu dem wurde, was er heute ist. Damals mag er noch halbwegs liebenswürdig herübergekommen sein, weshalb er auch Ivana für sich gewinnen konnte.
Doch sein Drang, sich seinem Vater endlich zu beweisen, und vor allem seine Beziehung zu Roy Cohn, der ihm all diese Ratschläge und Beihilfe gab, keine Rückschläge zu erleiden, Aufputschmedikamente und Geschäftsessen um Geschäftsessen ließen ihn zu diesem eiskalten, die Wirklichkeit verdrehenden Geschäftsmann werden, wie wir ihn heute kennen.
Und Sebastian Stan(eine durchaus unerwartete Besetzung) spielt diesen Donald Trump mit derart großer und detaillierter Intensität, das man zum Großteil tatsächlich denkt, Donald Trump zu sehen! Auch der in Dänemark lebende Schauspieler Jeremy Strong(nicht zu verwechseln oder verwandt mit Mark Strong) lässt den „Fixer“ Roy Cohn mit jeder Menge Subtilität Autorität ausstrahlen. [Manchmal dachte ich dabei an seine äußerliche Ähnlichkeit mit Giovanni Ribisi – könnte sein Bruder sein und wäre sicher eine passende Alternative gewesen.]
Besonders muss ich hier auch noch Maria Bakalova erwähnen, die Ivana dermaßen mitfühlend spielt, dass man ihr nur Trost spenden will, nachdem sie in die Fänge dieses Mannes geraten ist, der sich immer mehr in einen Bastard verwandelte und sie schließlich eiskalt fallen ließ, was letztlich 1990 zu einer Scheidung führte.
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Interessant ist auch, dass der Filmtitel The Apprentice genauso wie eine TV-Show heißt, in der Donald Trump vor 20 Jahren Nachfolger gesucht hat. Sein Spruch »You’re fired!« gelang zu jener Zeit in den Sprachgebrauch der Medien. Doch dieser Film zeigt lediglich ein Kapitel des Mannes, der in diesem Herbst erneut für’s Präsidentenamt kandidiert.
Wäre der Film in den USA produziert worden, hätte er definitiv nicht so objektiv den Mann porträtieren können, der seine eigene Wahrheit anderen aufzwängen will. Und nachdem man diesen Film gesehen hat, versteht man Donald Trump ein wenig besser. Man wird vermutlich nicht die eigene Ansicht auf ihn ändern, doch man bekommt einen Einblick in seine Seele (oder das, was von ihr übriggeblieben ist).
Visuell erzählt Ali Abbasi die Geschichte im damaligen 4:3-TV-Format mit jeder Menge wackeliger Handkamera im Stil einer sogenannten Reality-Soap. Die Filmmusik wirkt unterstützend unterschwellig, aber ich bin mir sicher, dass das Lied „Yes, Sir, I can Boogie“ von Baccara in der nächsten Zeit auf diversen Wiedergabelisten erscheinen wird…