Seorae ist eine Frau, die gern die Kontrolle behält. Selbst als ihr Mann in den Tod stürzt, bleibt sie seltsam unberührt. Der Kommissar Jang Haejun, vertraut mit den Abgründen der menschlichen Seele, stellt Seorae ins Zentrum der Untersuchung. Doch seine Faszination für diese so verletzliche wie aufregend schöne junge Frau unterwandert die Ermittlungen. Er beobachtet sie, umkreist sie, verfolgt sie. Aus Verhören werden Gespräche, aus Verdacht wird Hoffnung. Doch die Wahrheit macht ihre eigenen Spielregeln, die Seorae und Haejun schon bald nicht mehr unter Kontrolle haben.
Bak Chanuk erzählt in diesem Film Noir die Liebesgeschichte zwischen einem Polizisten und einer Mordverdächtigen. Mit dem Fingerspitzengefühl eines Chirurgen dringt er in die Gefühlswelt seiner Figuren ein. Die Kamera ist dabei sein wichtigstes Operationswerkzeug. Sie macht die Sehnsucht visuell erfahrbar, seziert verstohlene Blicke oder empfindet sie nach, stellt Nähe her, wo keine ist, und verortet die Liebenden im Filmbild in ständiger Relation zueinander, auch wenn sie sich nicht im selben Raum befinden.
Dabei nimmt er sich viel Zeit, manchmal ein wenig zu sehr, die intimen Momente der Protagonisten festzuhalten. Hinzu kommt, dass der Filmemacher die Nationalität der Hauptdarstellerin in die Handlung mit eingebaut hat. So kommt es, dass diverse Sätze im Film mit dem allgegenwärtigen Smartphone-Übersetzungsprogramm aus dem Chinesischen übersetzt werden müssen, da Seoraes Koreanisch „nicht so gut“ ist. Auch dort schmeichelt ihr Haejun mit einem „Ihre Aussprache ist weit besser als meine“.
»Die Figur Haejun ist außergewöhnlich sanft, ordentlich und höflich und hat einen exzentrischen Humor«, erzählt Bak Chanuk. »Kein anderer Schauspieler als Bak Haeil kam mir für diese Figur in den Sinn. In diesem Sinne war das Drehbuch fast maßgeschneidert für ihn, und obwohl das „Hae“ in „Haejun“ für das Meer steht, erinnert es auch an Bak Haeil.«
Der Film dreht sich um das Thema Liebesbeziehungen. Während Seorae eine fatale Ehe nach der anderen erfährt, pendelt Haejun jede Woche von seiner schmissigen Ehefrau in dem vernebelten Örtchen nach Busan, um dort seiner Arbeit nachzugehen. Da kommen ihm bei seinen nächtlichen Beobachtungen der Hauptverdächtigen schon mal intimere Gedanken in den Sinn. Seine Schlaflosigkeit wirkt dahingehend auch nicht sehr zuträglich.
»Für Seorae, die sich immer für unglücklich gehalten hat, ist Haejun wie ein kostbares Geschenk«, bemerkt der Filmemacher. »Sie muss überrascht gewesen sein, als sie merkte: ʼJemand wie er kümmert sich wirklich um mich.ʼ Für Haejun ist Seorae wie die Wellen auf dem Meer. Manchmal ist sie ruhig, manchmal heftig, manchmal überwältigend. Manchmal schließt sie dich in ihre Umarmung ein. Aber es ist immer wechselhaft.«
Die Frau im Nebel ist ein sehr ruhiger Film, der ohne viel Gewalt, Sex oder Nacktheit auskommt. Er lebt von seinen Hauptdarstellern, wie auch von seinen Bildern. Der deutsche Titel klingt etwas geheimnisvoll und bezieht sich auf Seorae, aber auch auf ein Lied, das sie einer alten senilen Frau, die sie pflegt, auf dessen iPhone gespeichert hatte.
Der Originaltitel hingegen passt eher zum Inhalt der Geschichte. Die Entscheidung zur Trennung ist das Leitthema, das sich wie ein Faden durch den Film zieht. Einerseits geht es um Seoraes brutale Trennungen, andererseits um Haejuns Trennung von seiner Festgefahrenheit und letztlich womöglich auch um seine wortwörtliche Ehetrennung…?
»Es ist eine Liebesgeschichte und auch ein Detektivdrama«, sagt Bak Chanuk abschließend. »Was ich wirklich betonen möchte, ist, dass es sich um eine Geschichte über Verlust handelt, mit der sich jeder Erwachsene identifizieren kann. Anstatt sie aber als Tragödie zu behandeln, habe ich versucht, sie mit Subtilität, Eleganz und Humor zu erzählen.«
Ja, an manchen Stellen kann man ordentlich lachen, an anderen kann man nicht hinsehen, wenn man unter Höhenangst leidet – besonders im Kino bei der großen Leinwand! Aber wie schon erwähnt, ist der Film zu lang, könnte etwas flotter und eine halbe Stunde kürzer sein. Dennoch ist er sehr unterhaltsam und bleibt in Erinnerung…