Kennen Sie Brahms? Wenn nicht, lernen Sie ihn jetzt kennen – nein, nicht den Komponisten, sondern einen „Jungen“ aus Porzellan! Recht spukisch mutet die Geschichte an: Die junge Amerikanerin Greta flüchtet aufs ländliche England, wo sie als Babysitter für einen Jungen engagiert wurde. Als Greta feststellt, dass der Junge in Wirklichkeit eine Porzellanpuppe ist, hält sie ihren Job zunächst noch für einen schlechten Scherz. Das alte Ehepaar, das sie engagiert hatte, um sich um deren „Sohn“ zu kümmern, behandelt die Puppe wie ein echtes Kind, das pflegebedürftig ist.
Doch schon gleich bei ihrer Ankunft verschwinden ihre Schuhe, die sie sich ausgezogen hat, um nicht das schnieke Landhaus zu beschmutzen. Greta bekommt eine Liste, die sie täglich abarbeiten muss, um Brahms nicht zu erzürnen. Während der Abwesenheit der Heelshires besteht ihr einziger Kontakt zur Außenwelt aus dem Lieferburschen Malcom und via Telefon zu ihrer Freundin in Montana. Als Greta ihre Pflichten vernachlässigt, geschehen plötzlich merkwürdige Dinge.
Sie hört kindliches Weinen, Poltern und Schritte – Porzellan auf Holzboden. Sie muss feststellen, dass sich Brahms bewegt, jedoch nur, wenn sie nicht im selben Raum mit ihm ist! Das erinnert ein wenig an den skurrilen Superhelden Invisible Boy aus Mystery Men, der nur unsichtbar wird, wenn niemand ihn ansieht. Aber Lauren Cohan, die Greta spielt, spielt auch hier, wie in der Kultserie The Walking Dead, eine clevere Frau und recherchiert und experimentiert. Mit Hilfe von Malcolm erfährt sie auch von der Vergangenheit des Heelshire-Jungen und kommt schon bald dahinter, was wirklich los ist. Als dann ihr gewalttätiger Ex-Freund Cole, vor dem sie ursprünglich nach England geflohen ist, auftaucht, eskalieren die Ereignisse, bis schließlich das Mysterium um Brahms aufgeklärt wird…
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Obwohl The Boy in der feuchten und nebligen englischen Provinz spielt, wurde der Film komplett auf Vancouver Island im kanadischen British Columbia gedreht – eine Gegend, in der es nur so vor Anwesen aus der Jahrhundertwende, die von den neureichen Holz-, Bahn- und Kohlebaronen Westkanadas gebaut wurden, wimmelt. Als ausladende Symbole frisch erworbenen Reichtums waren diese Orte in der „Neuen Welt“ ganz offensichtliche Imitationen der Häuser des britischen Adels.
»Die Gegend heißt nicht ohne Grund British Columbia«, so Richard Wright, Lakeshore Entertainments stellvertretender Produktionsleiter. »Es war tatsächlich sogar günstiger, den kompletten Film in Kanada zu drehen. Hier gibt es ein paar sehr große Häuser, die um die Jahrhundertwende gebaut wurden, zumeist von Menschen mit englischen Wurzeln, die mit ihren Geschäften eine Menge Geld gemacht hatten. Sie haben große Protzbauten in Victoria errichtet, der Hauptstadt von British Columbia. Die meisten sind längst nicht mehr in Privatbesitz, sie sind zu groß für die Leute, um darin zu wohnen oder sie instand zu halten. Aber in vielen von ihnen kann man noch drehen.«
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Ein einsames englisches Landhaus, eine junge Frau, die sich einsam um eine Porzellanpuppe kümmern soll und nur gelegentliche Kontakte zur Außenwelt – das ist der Stoff, aus dem Horrorfilme gemacht werden. Wenn dann auch noch Kamera, Schnitt und die Filmmusik stimmen, dürfte da nichts schiefgehen. Doch The Boy ist nicht wirklich ein Horrorfilm – zumindest nicht für diejenigen, die durch Filme wie Scream oder Saw verbrüht wurden. Der Film hat trotz ständiger Horrifizierung immer eine reale Optik. Das mag natürlich auch an Lauren Cohan liegen, die ihre Figur der Greta dermaßen real und bodenständig darstellt, dass man fortan mit Greta das Geheimnis aufdecken will.
Am Ende ist The Boy, wie sich herausstellt, jedoch kein Horrorfilm an sich als vielmehr ein gruselig inszenierter Thriller. Und wenn der Abspann läuft, kommt man sich vor, als hätte man einen gruselig-spannenden Schmöker gelesen. Die Figuren wirken sehr normal, nichts wirkt künstlich erzeugt. Der Film verbindet Horror- und Thrillerelemente mit Gemütlichkeit und verursacht Wohlbefinden. Man ist die ganze Zeit über an Lauren Cohans Seite, und die kann gar nicht schlecht sein. Und die Porzellanpuppe wirkt auch nicht so übertrieben böse wie dessen Filmkollegen Chucky oder Annabelle. Man ärgert sich einfach über nichts, außer vielleicht über die allerletzte Einstellung, die dann doch noch dem Film den Stempel Horror-Mystery aufsetzen will, um einer möglichen Fortsetzung Luft zu lassen.