Als ihnen der charmante Mr. Reed grinsend die Pforten zu seinem Haus öffnet, tappen Schwester Paxton und Schwester Barnes nichts ahnend in seine Falle. Nicht nur müssen sie sich mit dem ausgefeilten Intellekt ihres Gastgebers messen, sie werden schließlich gezwungen, sich zwischen Glaube und Unglaube zu entscheiden, und winden sich in den dunkelsten Labyrinthen von Reeds bohrenden Fragen. Die Flucht aus dem labyrinthischen Anwesen wird zum perfiden Versteckspiel, bei dem sich die beiden Missionarinnen nicht allein auf ihren Glauben verlassen können.
»Religion is just a system of control.«
Mr. Reed
Die Geschichte um Mr. Reed, der versucht, die einzig wahre Religion zu predigen, setzt auf den vertrauten Charme von Hugh Grant, den er im für ihn untypischen Horror-Umfeld zu einer seiner köstlichsten Darbietungen transformiert. In Mr. Reed entfesseln Scott Beck und Bryan Woods eine Hannibal-Lecter-Seele, die sich daran erfreut, komplexe religiöse Philosophie zu zitieren und diese mit popkulturellen Abhandlungen zu Lana del Rey, Monopoly und Fast Food zu kombinieren.
Die Regisseure, die seit ihrer Kindheit beste Freunde sind, haben in den letzten zehn Jahren eine filmische Partnerschaft entwickelt, die zu einigen der eindringlichsten und auch furchteinflößendsten Werke aller Zeiten geführt hat, darunter auch ihr Durchbruch A quiet Place. In ihren nachfolgenden Arbeiten als Drehbuchautoren und Regisseure variierten sie die hohe Kunst, das Publikum mit allem möglichen zu erschrecken – von kosmischen Dinosauriern über ländliche Spukhäuser bis hin zum unheimlichsten Ort von allen: dem menschlichen Geist.
»Wenn man versucht, sich gruselige Ideen für einen Film auszudenken, dann kommt man immer wieder darauf zurück, dass es für uns nichts Schrecklicheres als den Tod gibt«, sagt Bryan Woods.
»Alle Horrorfilme drehen sich auf die eine oder andere Weise um den Tod. Er ist das, was wir im Leben am meisten fürchten. Und wir benutzen die Religion, um uns einen Reim darauf zu machen, was passiert wenn wir sterben, damit wir uns sicher fühlen können. Aber wenn wir zu tief in das Thema eindringen, fühlen wir uns manchmal nicht mehr so sicher.«
»Ich fand Heretic gewagt – nicht nur weil der Film einige Dinge in Frage stellt, die vielen Menschen heilig sind, sondern auch, weil die Geschichte in einer langen Nacht in einem einzigen Haus spielt und viel geredet wird – was für einen Horrorfilm nicht gerade üblich ist«, sagt Hugh Grant, der hier einen außerordentlich makaber-humorigen, narzisstischen Psychopathen gibt, der seine ganz eigene Auffassung von Religion hat.
Man merkt, dass die Filmemacher auch die Drehbuchautoren sind, denn es herrscht eine detaillierte Symbiose zwischen den Dialogen, der Handlung und dem Szenenaufbau, dass man sich sofort mit den beiden jungen Damen identifiziert und mit ihnen mitfiebert. Man fragt sich, was man selbst in dieser Situation (anders) tun würde und wohnt gespannt der Bibelstunde bei, die so richtig ans Eingemachte geht.
Heretic, was übersetzt Ketzer oder Andersgläubige(r) bedeutet, ist eine gelungene Abwechslung vom sonst üblichen Schocker-Horror mit umwerfenden Schauspielern, einer herausragenden Kameraführung und einer intelligenten Handlung, auch wenn die Auflösung am Ende ein wenig zu banal wirkt.