Freitag, 29. März 2024
Gambit
Der Masterplan
Der Major und Harry warten einen günstigen Moment ab, um PJ in ihr totsicheres Vorhaben einzuweihen.
© LEONINE
Nicht nur ein Masterplan: Satte 14 Jahre wartete Hollywood-Produzent Mike Lobell auf die Neuverfilmung des gleichnamigen Originals von 1966, das den deutschen Titel Das Mädchen aus der Cherry-Bar trägt. Damals spielten Michael CaineShirley MacLaine und Herbert Lom die Hauptrollen, die nun Colin FirthCameron Diaz und Alan Rickman mehr oder weniger neu interpretieren.
Unter „Gambit“ versteht man einen Eröffnungszug beim Schach, bei dem ein Spieler seinem Gegner einen Punkt überlässt, um sich einen strategischen Vorteil zu verschaffen, den er später im Spiel nutzen kann. So ist es äquivalent auch im Film zu verstehen. Allerdings ist der Coup in der Neuverfilmung weitaus komplizierter zu verstehen und bei weitem nicht so clever wie im Original.

Harry Deane hat es satt. Jahrelang wurde der nüchtern-korrekte Kunstkurator von seinem exzentrischen, arroganten Boss Lionel Shahbandar gedemütigt. Jetzt will es Harry dem besessenen Kunstsammler und reichsten Mann Englands, heimzahlen und ihm für ein gefälschtes Meisterwerk von Claude Monet, das als verschollen galt, ein Vermögen abnehmen.
Harrys alter Freund, Major Wingate, ein Meisterfälscher, wird das Bild malen, die Texanerin PJ Puznowski den Kauf als attraktiver Lockvogel anheizen. Dem Charme der quirligen Rodeokönigin, bei deren Großmutter das Meisterwerk „zufällig“ entdeckt wird, kann Shahbandar genauso wenig widerstehen wie der Anziehungskraft des lange gesuchten Gemäldes.
Davon ist Harry überzeugt. Und so läuft die Verwirklichung seines gewagten Plans perfekt, doch nur in seinem Kopf scheint die Rechnung bis ins kleinste Detail aufzugehen. Denn das Leben, die Liebe und auch sein Boss bleiben unberechenbar…

Ob man jetzt das Original kennt oder nicht spielt eigentlich keine Rolle, denn der aktuelle Film ist so oder so zum größten Teil unattraktiv und langweilig. Den Figuren fehlt Tiefe, den Schauspielern Inspiration, dem Regisseur der richtige Takt. Die chemische Formel des Films geht einfach nicht auf.
Auch wenn Colin Firth ein wenig lustlos wirkt, trägt er den Film mit gewohnt britischer Fassung und sorgt sogar für den einen oder anderen Lacher. Diese Lacher kommen jedoch hauptsächlich aus jenen Slapstickmomenten, die der tristen Grundstimmung des Films entgegenwirken und ein wenig an klassische Filmmomente á la Blake Edwards erinnern.
»Nach diesen ernsten Filmen und Geschichten war es Zeit für einen Film, bei dem ich auf den Hintern fallen und die Hosen herunterlassen durfte«, erzählt Colin Firth. »Ich liebe es, wenn ich meine Fähigkeit, absolut lächerlich zu wirken, zum Einsatz bringen kann.«
Seine erstmals beim Fußballspielen in der Schule entwickelte Überzeugung, dass insbesondere seine Füße für Erheiterung sorgen konnten, bestätigte sich, als er für eine Szene die Lobby des Savoy Hotels mit lässiger Ausstrahlung, aber ohne Hosen durchschritt und Cameron Diaz im Vorbeigehen schlicht bemerkte: »Komische Beine.«
Auch mit dabei, und wie immer brillant: Stanley Tucci als deutscher Kunstexperte, der im englischen Original auch ein paar Worte in Deutsch sagt. Nicht ganz so exotisch bezaubernd wie Shirley MacLaine im Original wirkt Cameron Diaz als texanische Rodeomeisterin PJ Puznowski. Warum Harry unbedingt eine Amerikanerin für sein Unterfangen brauchte, liegt vielleicht in der Natur der amerikanischen Drehbuchautoren Joel und Ethan Coen.
Nach der Neuverfilmung des Westerns True Grit wirkt diese Neuadaption hier ein wenig zu gekünstelt. Es wäre da wohl besser gewesen, sie hätten andere Figuren und ein anderes Handlungsprozedere genommen, sowie auch selbst Regie führen sollen. Von den Coen-Brüdern hätte man jedenfalls mehr erwartet als einen nudistischen Alan Rickman. Auch die Erzählstruktur aus der Sicht des Majors haut irgendwie nicht hin und kommt zu selten zum Einsatz.
Woanders ist der Film bereits auf DVD erschienen, hier kommt er jetzt in die Kinos. Bei diesem Film kann man ruhig auf das Eintrittsgeld verzichten und ihn getrost daheim ansehen. Oder besser noch: Man besorgt sich das Original von 1966. Hier ist der Unterschied zwischen Original und Fälschung auf jeden Fall gravierend. Eines haben beide Filme jedoch gemein: Beide sind an den Kinokassen gefloppt!

09.12.2022 | mz
Kategorien: Feature | Filme