Mittwoch, 13. November 2024
Anna

 

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Frankreichs Actionfilm-Ikone Luc Besson ist mal wieder seiner Vorliebe für junge osteuropäische Actionheldinnen verfallen. Diesmal lässt er die ehemalige Prinzessin Lihio-Minaa aus seinem letzten Werk Valerian, Sascha Luss, als KGB-Auftragsmörderin über die Leinwand hetzen. Das russische Fotomodell darf diesmal mehr als nur ihre Schönheit präsentieren.
Moskau 1985. Anna Poljatowa ist verzweifelt. Ihr Freund ist kriminell und aufbrausend, ihr psychischer Zustand äußerst fragil. Eines Tages hat sie die Schnauze voll und bewirbt sich beim Staat. Schon bald wird sie vom KGB angeworben, um nach einer Ausbildung zur Auftragsmörderin als Fotomodell in Paris unliebsame Klientel aus dem Weg zu schaffen.
Sie ist clever, durchtrainiert und rücksichtslos, aber nicht unfehlbar. Schon bald wird die CIA auf sie aufmerksam und will sie als Doppelagentin einsetzen, aber Anna kann nicht mehr. Sie will nicht mehr töten, sie will aussteigen. Beim KGB hatte sie einen 5-Jahres-Vertrag, der jedoch lediglich als Köder zeitlich begrenzt war. Immerhin will die CIA sie für 1 Jahr unter Vertrag nehmen, um sie dann beschützt auf Hawaii in Freiheit leben zu lassen.
Doch ihre Mentorin, die skrupellose, jedoch nicht 100%ig gefühlslose Olga, kommt dem Ganzen auf die Schliche und macht ihr ein neues Angebot. Kann Anna aus dem Spionagelabyrinth entkommen?
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Nach seinem Mega-Flop Valerian – Die Stadt der Tausend Planeten versucht Regisseur, Produzent und Drehbuchautor Luc Besson nun, mit einer Billigproduktion (oder zumindest weitaus preiswerter als sein letzter Film) wieder festen Halt unter den Füßen zu bekommen. Immerhin ist Action das Genre, das ihn berühmt gemacht hat.
Und wieder einmal ist es eine burschikose Frau, die er ins Rennen um die Gunst der Zuschauenden schickt. Die Russin Sascha Luss, die bereits in Valerian mitgespielt hat, ist hier in ihrer ersten Hauptrolle zu sehen. Dabei macht das Fotomodell natürlich vor der Kamera eine viel geübte Figur. Immerhin kann man ihr ansehen, dass so ein Arbeitstag als Fotomodell ebenfalls kein Zuckerschlecken ist – auch ein Anzeichen dafür, warum die meisten Modelle so verhungert aussehen.
 Aber das ist lediglich ihr Vorzeigeberuf, denn Anna M (M für Moskau), wie sie in der Branche genannt wird, weil es mehr als nur eine Anna in der Modellwelt gibt, arbeitet für den KGB als Auftragsmörderin. In diesem Bereich zeigt Fräulein Luss, dass sie auch noch andere Positionen drauf hat. Choreografisch und körperlich steht Anna ihrem männlichen Kollegen John Wick in keinster Weise nach – da knacken die Knochen, da spritzt das Blut, da wird schon mal jemand mit einer Gabel erstochen oder mit einem Haltegriff vom Thresen durchbohrt.
Was Sascha Luss auch gut kann: heulen. Die Szene mit ihrem Freund in der Küche war sicher eine Szene, wie sie sich in zahlreichen Haushalten abspielt, aber nicht immer mit derart glimpflichem Ausgang. Was Luc Besson hinbekommen hat, ist die Dekonstruktion und der Wiederaufbau Annas, das er symbolträchtig anhand von Matrjoschkas aufzeigt. Hülle für Hülle streift Anna ab, bis sie ihr kleines, innerstes Ich findet. Und dann heißt es nur noch, Hülle für Hülle neu aufzubauen – was sie beim KGB erlernt hat.
Allerdings konzentrierte sich der Filmemacher voll und ganz auf seine Muse, dass er die Realität der damaligen Zeit vernachlässigte. Zwar kam der erste Geldautomat in Moskau für die Handlung wie gerufen, doch bleibt da die Frage, ob die Kleinkriminellen in der Sowjetunion so findig waren, einen der wenigen Geldkarten-Kunden weltweit auszuspähen, um diesen zu überfallen. Auch gab es 1985 noch keine Laptops, geschweige denn USB-Anschlüsse oder -Sticks, und erst recht kein W-LAN!
Aber auch wenn man diese Filmfehler beiseite lässt, kann zudem die Hauptdarstellerin nicht so recht überzeugen. Sascha Luss fehlt der Schlüssel zum Lächeln. Sie wirkt stets bierernst und besitzt so gut wie keinen Sex-Appeal, weshalb man sich im Film die ganze Zeit über fragt, warum alle sie haben wollen – Luke Evans als KGB-Agent, Cillian Murphy als dessen CIA-Gegenstück, wie auch Annas Modellkollegin Maud, gespielt von Ljera Abowa (die übrigens weitaus mehr zu bieten hat als die Hauptdarstellerin).
Da freut man sich über jede Szene mit Helen Mirren, die mit dieser riesigen Brille und den schwarzen Haaren kaum wiederzuerkennen ist. Sie spielt Olga, die KGB-Ausbilderin und Vorgesetzte Annas. Bei ihr reichen ihre Blicke, um die Stimmung einfangen zu können. Ob streng, fassungslos oder innerlich schmunzelnd – davon können fast alle anderen Mitspieler des Films lernen, wie man eine Rolle herüberbringt!
Anna kann man sich als Apéritif zu John Wick gönnen, doch so recht überzeugen kann der Film und die Hauptdarstellerin nicht. Da warten wir lieber auf die Fortsetzungen von Lucy oder Colombiana. Auf jeden Fall ist nicht zu erwarten, dass es von Anna eine Fortsetzung geben wird, allein weil der Film ein recht gutes Ende besitzt. Aber wer weiß…

26.11.2020 | mz
Kategorien: Feature | Filme