Samstag, 27. April 2024
72. Emmys im Corona-Taumel
© Television Academy

Letzte Nacht wurden in Los Angeles zum 72. Mal die Emmys® verliehen. Im Zuge der Corona-Pandemie fand die Verleihung ohne Publikum statt. Umso verstörender war die Pre-Show auf E!, in der die Nominierten des Abends anstatt am Roten Teppich in einem offenen Studio live zugeschaltet wurden.
  • 72. Emmys 04
    »Thanks to John Oliver! I'm reporting him to ICE tomorrow.«
    Jimmy Kimmel
Jimmy Kimmel moderierte die Show ein weiteres Mal, die in Deutschland zunächst so gut wie gar nicht auf TNT Serie übertragen wurde. Wieder einmal funktionierte die Übertragung nicht – diesmal kein Ton! Auch das Bild stockte immer wieder. Der Gastgeber machte offensichtlich ein paar Witze vor einem leeren Saal mit ein paar Pappaufstellern und einem einzigen Gast – Jason Bateman, dessen Serie Ozark zu den meist nominierten des Jahres gehörte.
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Nachdem der Ton endlich funktionierte, präsentierte Jennifer Aniston den ersten Preis für die beste Hauptdarstellerin in einer Komödienserie, der an Catherine O’Hara (Schitt’s Creek) ging. In einem Raum von virtuellen Monitoren, auf denen die Nominerten live zugeschaltet waren, präsentierte Jimmy Kimmel den Umschlag, tränkte ihn in Desinfektionsmittel und fackelte ihn ab, während Jennifer Aniston den Feuerlöscher mehrmals betätigen musste, um den brennenden Papierkorb unter Kontrolle zu bringen.
Im Fall von Schitt‘$ Creek befanden sich die Nominierten der Serie auf einer eigenen Party, auf der sich die Beteiligten mit Mund-Nase-Bedeckungen befanden. Catherine O’Hara hielt ihre Dankesrede dann jedoch ohne Maske vor einem Standmikrofon im Raum. Auch die männliche Hauptrolle in einer Komödienserie ging an Schitt’s Creek – an Eugene Levy.
Tracee Ellis Ross präsentierte den nächsten Preis mit einer ebenso komödiantischen Nummer, und auch hier ging der Preis für das beste Drehbuch einer Komödienserie an Schitt’s Creek – an Eugenes Sohn und Produktionspartner Daniel Levy. Auch der Preis für die beste Regie ging an die Komödienserie. Dan Levy, der einen Anzug mit Schlips und Rock mit Kniestrümpfen trug, nahm dann auch den Preis für die beste männliche Nebenrolle für selbige Serie entgegen, ebenso Annie Murphy für den weiblichen Teil.
Jason Sudeikis präsentierte dann den Preis für die beste Komödienserie und musste sich einem gestellten CoViD-Test unterziehen. Und auch hier dominierte Schitt’s Creek abschließend für den Bereich Komödienserie, während Dan Levy letztlich die Dankesreden ausgingen und zur Wahl (des US-Präsidenten) aufrief und seinen Vater für den Rest der Lobrede vor schob.
Aber nicht jede Kategorie wurde von Prominenten präsentiert. Erstmals kamen auch Personen des täglichen Lebens dazu, ein paar Kategorien präsentieren – etwa ein Postbote, eine Lehrerin, Truckfahrerin oder Ärzte… Und zur Belohnung der empörten Bezahlkunden, denen der Ton zunächst vorenthalten wurde, verlief der Rest der Show auf TNT Serie mit Ton und dafür die Werbung und Programmhinweise gerechterweise ohne Ton.
Ein sichtbar veränderter David Letterman präsentiert in einem Einspieler an einem grünen Hügel mit weißem Haaransatz und vollem Rauschebart neben seinen Top-Witzen der Emmys von 1986 den Preis für die beste Unterhaltungsshow, der an John Oliver ging. Nachdem Schitt’s Creek für die Komödiensparte abgesahnt hatte, ging es dann mit den Dramaserien weiter, bei denen HBOs Watchmen zu den Favoriten gehörte. Als Erste erhielt Hauptdarstellerin Regina King den Emmy® für die beste weibliche Hauptrolle in einer Miniserie oder TV-Film.
Mark Ruffalo unterbrach dann die Eintönigkeit, indem er für seine Doppelrolle in I know this much is true seine namhaften Konkurrenten Jeremy Irons und Hugh Jackman ausstach, bevor Damon Lindelof zusammen mit Cord Jefferson seine Dankesrede für die beste Miniserie, TV-Film oder dramatischem Spezialprogramm für Watchmen via Live-Schalte hielt. Nicht überall klappte es mit der prompten Übergabe der Preise – keine gute Werbung für KIA, womit die Preise in komödiantischen Einspielern an die Empfänger ausgeliefert werden sollten.
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Zwischendurch erzählten diverse nicht-nominierte Stars, was sie so während des Lockdowns getan haben, auch einen Einspieler von dem Kommandanten der ISS gab es zu sehen. Aber auch Deutschland gewann nebenbei einen Emmy®: Maria Schrader und ihr Stab bedankten sich für die beste Regie in der Kategorie für ihre Netflix-Miniserie Unorthodox. Und auch Uzo Aduba gewann für ihre Hauptrolle in der hulu-Serie Mrs. America als eine der vier nominierten Frauen der Miniserie.
Kurz vor dem Segment „in memoriam“, worin die letztjährig Verstorbenen der Branche mit dem Titel „Nothing compares 2 u“ geehrt wurden, haperte es wieder mit dem Ton bei der Anmoderation von Jimmy Kimmel, der einleitend noch die gerade erst verstorbene Supreme-Court-Richterin Ruth Bader Ginsburg hinzufügte. Was ein wenig sauer aufstieß, war, dass die Schauspielerinnen als „actor“, also die männliche Variante „Schauspieler“ bezeichnet wurden. Dabei gibt es doch die weibliche Form „actress“ – also Vielfalt ja, aber Gleichberechtigung nicht so ganz. Das ist jedenfalls noch verbesserungswürdig.
Nach einer kurzen Schaltung zu Jennifer Aniston, die sich während der Show „nach hause begeben hatte“, zu der sich auch noch Courteney Cox, Lisa Kudrow und Jason Bateman gesellten, erhielt erneut RuPaul den Preis für die beste Wettbewerbssendung – RuPaul’s Drag Race. Danach erhielt Tyler Perry für sein Schaffen den Preis der Akademiepräsidenten. Dabei beschrieb er in seiner Dankesrede seine Welt als eine Art Quilt, der von der ganzen Bandbreite der Vielfalt gestrickt wurde.
Jeremy Strong erhielt den Emmy® für die beste männliche Hauptrolle in der Dramaserie Succession, Zendaya für ihre Rolle in Euphoria. Jesse Armstrong gewann den Preis für das beste Drehbuch und Andrij Parekh für die beste Regie für eine Folge aus der Serie HBO-Serie Succession. Bester Nebendarsteller einer Dramaserie wurde Billy Crudup für die Apple TV-Serie The Morning Show und das weibliche Pendant eine überwältigte Julia Garner für ihre Rolle der Ruth Langmore in der Netflix-Serie Ozark.
Zum Abschluss präsentierte Sterling K. Brown den Emmy® für die beste Dramaserie, der erwartungsgemäß an den zweiten Abräumer des Abends, Succession, ging, dessen Gewinner vor einem knalligen Tapetenmuster feierten. Beliebte Gewinner aus den Vorjahren wie The marvelous Mrs. Maisel, The Kominsky Method, The Crown oder Better call Saul gingen diesmal leer aus.
Alles in allem war die Emmy®-Verleihung einzigartig und teils auch originell arrangiert. Die Mischung aus Präsentatoren vor Ort und Film-Einspielern von Nicht-Stars funktionierte recht gut, allerdings fehlte die übliche Aufzählung der Nominierten der einzelnen Kategorien bei deren Einblendungen. Es war eine große logistische Herausforderung, die auch ohne Pannen bei Videoströmen gemeistert wurde. Und bis auf ein paar bissige Kommentare des Moderators und diversen Wahlaufrufen verlief die Show auch weitgehend unpolitisch. Diese ungewöhnliche Verleihung wird dann wahrscheinlich auch für die nächstjährigen Golden Globes® und Oscars® Pate stehen, die zwar nach hinten verschoben wurden, aber sicher ähnlich ablaufen werden…

26.08.2022 | mz
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